Geschichten von Nixdorf

Geschrieben am 17.06.2025 von

Im 20. Jahrhundert gaben Unternehmen längere Filme in Auftrag, die ihre Erzeugnisse in einem sozialen, wissenschaftlichen oder künstlerischem Umfeld darstellten. Das waren die Industriefilme. Auch die Firma Nixdorf brachte 1984 einen solchen Streifen heraus. „Die Geschichte der Null“ zeigte natürlich den Einsatz ihrer Computer. Man kann die englische Fassung auf der Internetseite des Bundesarchivs anschauen.

Es ertönen Geräusche, die an die Stimme von Donald Duck erinnern, dabei schieben sich Ziffern ins Bild und werden zu Großbuchstaben. Sie ergeben DIE GESCHICHTE DER NULL. Dann erscheinen lange Reihen von Datenspeichern, ein Mensch dazwischen, und ein Erzähler hebt an: „The zero story is the story of mathematics and computing.“

So beginnt eine 27 Minuten lange Dokumentation, die das Bundesarchiv seit 2023 auf seiner Internetseite anbietet. Sie hat einen englischen Text, doch es handelt sich um ein Produkt der Hamburger Co Film GmbH für die Nixdorf Computer AG. Es kam 1984 heraus, die deutsche Fassung ist leider nicht online. Den Titel „Die Geschichte der Null“ nannten wir schon, er bezieht sich auf das Dualsystem, das mit den Ziffern 0 und 1 operiert. Man findet es bei Computern, und es steht im Mittelpunkt der genannten Produktion.

Vor Jahren bot der HNF-Museumsshop „Die Geschichte der Null“ auf DVD an.

„Die Geschichte der Null“ ist ein Industriefilm. So nannte man einst mediale Erzeugnisse, mit denen größere Firmen für ihre Produkte und für sich warben. Die Filme verzichteten auf das direkte Anpreisen und schilderten das Unternehmen und seine Leistungen in verhüllter Form; wer genauer hinschaute, entdeckte aber den jeweiligen Auftraggeber. Heute wird das Genre eher museal erforscht. Mancher Streifen macht noch immer Spaß, zum Beispiel das kunterbunte Design for Dreaming des Autokonzerns General Motors von 1956.

Auf YouTube liegen auch viele amerikanische Filme aus der Computerbranche. Bei hiesigen Herstellern sieht es dagegen trübe aus, hier fanden wir nur einen Siemens-Streifen zur Lohnabrechnung von 1968 und einen Bericht aus dem DDR-Kombinat Mikroelektronik aus dem Jahr 1987. Zur selben Zeit entstand im Auftrag der IBM Deutschland „Der größte und langsamste Computer der Welt“; es wirkte der populäre Schauspieler Heinz Eckner mit. Der Film müsste bei der Firma verfügbar sein, das Internet hat nur einen Zeitschriftenartikel.

Auch die Computerkasse Nixdorf 8812/1 aus den späten 1970er-Jahren taucht im Film auf.

Umso erfreulicher ist es, im Bundesarchiv „Die Geschichte der Null“ aus Paderborn sehen zu können. Das Drehbuch eilt nach dem Start durch die Geschichte der Zahlzeichen und der Rechenmaschinen. Bei Minute 6:10 kommen Gottfried Wilhelm Leibniz und das Dualsystem vor; es folgen die Computer von der Z3 bis zu den integrierten Schaltkreisen. Nach Minute 11:00 ändert sich die Erzählweise, wir besuchen die Firma Nixdorf und erleben ihre Rechner im Einzelhandel. Anschließend befasst sich der Film mit ergonomischen Tastaturen.

Bei Minute 19:00 geht es in ein Hospital in der französischen Stadt Nantes. Ein Mann ist nach einem Motorradunfall an Armen und Beinen gelähmt. Mit seinem Kopf steuert er aber ein Nixdorf-System und bedient einen Fernseher, das Telefon und ein Lesegerät. Danach springt der Film vom Salzburger Hauptbahnhof zu einem Geldautomaten und in ein Haus, in dem Nixdorf-Computer Licht und Heizung steuern. „Die Geschichte der Null“ endet in einer Kneipe, in der auf Bierdeckeln gespeichert und an der Computerkasse addiert wird.

Eine Nixdorf-Tastatur mit der heute recht bekannten Ruhefläche für die Handballen

Das Schlussbild gehört Herrn Leibniz, dem Freund des Dualsystems. Wir kehren aber noch einmal zur Ergonomie zurück. Unser Film beleuchtet nämlich die Arbeit der Design-Abteilung der NCAG, die 1984 an der Spitze der Forschung stand. Ab Minute 16:30 sitzt eine junge Frau an einer normalen Tastatur. Sie steckt dann an der Vorderkante eine Auflagefläche für die Handballen ein. Eine solche Fläche war ein Merkmal des 1991 eingeführten PowerBook 100 von Apple. Die Idee ist jedoch älter, und wir fanden ein Patent der Firma SEL von 1980.

Nach der Handballenauflage sehen wir zwei Tastaturen mit angewinkelten Tastenfeldern – die Amerikaner nennen so etwas ein Split Keyboard. In Paderborn gingen die Entwürfe auf den Designer Ulrich Hirsch zurück; er übernahm 1988 die Leitung der gesamten Abteilung. Unser Eingangsbild enthält eine Tastatur von ihm, eine ganz ähnliche zeigt „Die Geschichte der Null“. Man beachte links und rechts die Anhänge für die Handballen. An diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass auch ältere Industriefilme wertvolle Erkenntnisse zur neueren Technikgeschichte liefern.

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