Ave Caesar – ein kryptologisches Rätsel

Geschrieben am 07.07.2015 von

Schon in der Antike kannten Militärs und Politiker Methoden, um Texte so zu verschlüsseln, dass nur ein Adressat, der ebenfalls die Methode beherrschte, sie entschlüsseln und lesen konnte. Das älteste und bekannteste Verfahren zum Chiffrieren  ist die Caesar-Verschlüsselung, die der römische Herrscher Gaius Julius Caesar erfand. Verwirrung herrscht aber darüber, wie sie im Detail funktioniert.

Wer mit der Rolltreppe ins 1. Obergeschoss des Heinz Nixdorf MuseumsForums fährt, findet dort neben den Schreib-, Rechen- und Denkmaschinen eine kleine aber feine Abteilung zur Geschichte der Chiffriertechnik. Dort sind mechanische und elektrische Geräte ausgestellt, die lesbare Texte in unverständliche Botschaften verwandeln, und natürlich ist auch die deutsche Enigma zu sehen, deren Code im 2. Weltkrieg im englischen Entschlüsselungszentrum Bletchley Park geknackt wurde.

320px-Caesar3.svg - Public Domain

Lange vor den maschinellen Chiffrierverfahren gab es die von Hand. Das erste überhaupt stammt vom römischen Feldherrn und Politiker Gaius Julius Caesar, geboren 100 v. Chr., 44 v. Chr. bei einem Attentat ermordet. Die Caesar-Verschlüsselung verschiebt jeden Buchstaben des Klartextes innerhalb des Alphabets um eine feste Zahl von Stellen nach vorn. Nehmen wir etwa die Zahl 3, so wird A zu D, B zu E, C zu F usw. (siehe oben) und das Wort CAESAR zu FDHVDU.

So steht es in der deutschen Wikipedia unter „Caesar-Verschlüsselung“ und in den meisten Büchern über Chiffrierverfahren. In der englischen Ausgabe des Internet-Lexikons liest man dagegen: „Each letter in the plaintext is replaced by a letter some fixed number of positions down the alphabet. For example, with a left shift of 3, D would be replaced by A, E would become B, and so on.” Hier geht man also von einem Buchstaben des Klartextes im Alphabet zurück (siehe unten), und CAESAR heißt im chiffrierten Text ZXBPXO. Zum Entschlüsseln rückt man jeweils 3 Stellen vor.

Caesar_cipher_left_shift_of_3.svg, Public Domain

Wer hat recht? Um zum originalen Verfahren zu kommen, müssen wir die Quelle konsultieren, das Buch De vita Caesarum des Schriftstellers Gaius Suetonius, das um 120 n. Chr. erschien. Darin heißt es über Caesars Geheimtexte: „Quae si qui investigare et persequi velit, quartam elementorum litteram, id est D pro A et perinde reliquas commutet.“ Auf Deutsch: „Will jemand sie entziffern und hintereinander lesen, so muß er immer den vierten Buchstaben des Alphabets, also D für A und so fort, an die Stelle des wirklich geschriebenen setzen.“ (Kaiserbiographien I, München 1974)

Zum Lesen eines Caesar-verschlüsselten Textes schreitet man also im Alphabet voran, woraus folgt, dass man zum Chiffrieren zurückgeht – 1:0 für die englische Wikipedia. Das von Sueton beschriebene Verfahren ist außerdem für den Adressaten um vieles leichter als seine Umkehrung, weil wir das ABC eben in der ansteigenden Form ABCDEFGH… im Kopf haben und problemlos von einem Buchstaben zum nächsten springen können. Bitte versuchen Sie einmal, von einem Buchstaben, etwa T, ohne schriftliche Stütze im ABC rückwärts zu zählen.

In der Überlieferung des Verfahrens stellte sich also irgendwann der Fehler bei der Richtung ein und pflanzte sich von Autor zu Autor fort. Dabei mag eine weitere Vita von Sueton beteiligt gewesen sein, die von Caesars Nachfolger Augustus. Der verschlüsselte auch, aber andersrum: „Quotiens autem per notas scribit, B pro A, C pro B ac deinceps eadem ratione sequentis litteras ponit; pro X autem duplex A.“ Für Nichtlateiner: „Sooft er in Chiffren schreibt, setzt er B für A, C für B und so weiter durch die folgenden Buchstaben des Alphabets; für X [den letzten Buchstaben des lateinischen ABC] aber setzt er ein doppeltes A.“

Die Caesar-Verschlüsselung „nach vorne“ müsste also Augustus-Verschlüsselung heißen, aber nach zweitausend Jahren ist es wohl zu spät für eine solche Änderung.

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7 Kommentare auf “Ave Caesar – ein kryptologisches Rätsel”

  1. Klaus Schmeh sagt:

    Die HNF-Sammlung zum Thema Chiffriertechnik ist wirklich sehr sehenswert. Es gibt nur wenige Museen weltweit, die etwas Vergleichbares zu bieten haben.

    1. HNF sagt:

      Danke, Herr Schmeh!

      1. Kilian Wolbert sagt:

        Ich sitze gerade über einer Seminararbeit zum Thema Kryptologie und bin auf ihr kryptologisches Rätsel rund um den Cäsar-Code gestoßen. Ich würde gerne diesen Fehler in meiner Arbeit erwähnen und würde gerne für meine Bibliographie wissen, wer der Autor des am 07.07. veröffentlichten HNF-Blogs ist. Evtl. ist es sogar möglich, dass dieser mit mir kurz per E-Mail Kontakt aufnimmt. Ich hätte nämlich zum Artikel noch eine kleine Frage 🙂

        1. HNF sagt:

          Danke für den Kommentar! Wie lautet denn die Frage?

          1. Kilian Wolbert sagt:

            Na die Frage ist ganz einfach die:
            Kann ich in meiner Arbeit tatsächlich verlässlich Bezug auf HNF nehmen und auf den Fehler in der Erklärung zum Cäsar-Code hinweisen – im Klartext zitiereen, dass das deutsche Wiki und viele deutsche Bücher die mir vorliegen bei der Erklärung zum Cäsar-Code daneben liegen. Die englische Version von Wiki allerdings die lateinische Übersetzung richtig interprediert und den Code demnach entgegengesetzt richtig darstellt. Es wäre gut wenn ich hierbei auch den Namen des Autors nennen könnte, der diesen interessanten Fehler hier beschreibt.

          2. HNF sagt:

            Der Kollege wird sich direkt bei dir, Kilian, melden.

    2. Kilian Wolbert sagt:

      Hallo Herr Schmeh,
      was sagen sie zum Artikel „Ave Cäsar – ein kryptologisches Rätsel“. Ist es auch ihrer Meinung so, dass der Cäsar-Code z.B. in unseren Schulbüchern (deutsche Wiki-Version) falsch ist und dass dieser Fehler berichtigt werden muss?? Ich würde dies gerne im Rahmen meiner Seminararbeit über Kryptologie aufklären. Vielen Dank!!!
      Kilian Wolbert

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