Herr Leibniz und seine Logik

Geschrieben am 01.07.2021 von

Am heutigen 1. Juli feiern wir den 375. Geburtstag des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz. Er kam in Leipzig zur Welt und arbeitete später vor allem in Hannover. Er erfand die höhere Mathematik, entwarf Rechenmaschinen für Dezimal- und Dualzahlen und suchte die beste aller möglichen Welten. Leibniz gilt zudem als einer der Väter der modernen Logik.     

Er wurde geboren, arbeitete und starb. Das auf den griechischen Philosophen Aristoteles gemünzte Wort können wir ebenso auf seinen jüngeren Kollegen Gottfried Wilhelm Leibniz anwenden. Er kam am 1. Juli 1646 in Leipzig zur Welt; sein Vater lehrte an der Universität. Nach Schul-, Hochschul- und ersten Berufsjahren zog Leibniz 1672 nach Paris. 1676 trat er in den Dienst des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg; er verblieb darin bis zu seinem Tod am 14. November 1716. Sein Grab ist in Hannover.

Im Leibnizjahr 2016 behandelten wir schon seine Rechengeräte und seinen Beweis für die Existenz Gottes. Er verrät das Interesse des Universalgelehrten für die Logik. Sie war im 17. Jahrhundert keine eigene Wissenschaft, sondern eine Grundlage der Bildung. Die Logik gehörte zu den Sieben freien Künsten; die Erstsemester erlernten sie in der Universität. Goethe hat das später im „Faust“ persifliert: Mephisto macht einem Studienanfänger klar, dass im Collegium Logicum der menschliche Geist dressiert und gefoltert wird.

Auch der englische Denker John Locke, ein Zeitgenosse von Leibniz, sah die Logik kritisch. In seinem Versuch über den menschlichen Verstand nahm er 1690 den Syllogismus aufs Korn. Das Regelwerk des logischen Schließens stammte aus der Antike und enthielt Sätze wie „Alle A sind B, alle B sind C, also sind alle A auch C“. Locke schrieb: „Der Verstand schließt nicht nach diesen Regeln; er hat ein natürliches Vermögen, wodurch er den Zusammenhang oder Widerstreit der Vorstellungen erkennt, und er kann sie richtig ordnen, ohne solche verwickelte eingelernte Formen.“

Manchmal stellte Leibniz logische Schlüsse durch parallele Linien und durch Kreise dar. Diese Diagramme illustrieren den Syllogismus vom Typ Barbara („Alle C sind B“ usw.).

Leibniz sah das anders. Er verfasste Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand; darin nahm er die Kunst des Schließens in Schutz und deutete an, dass sie unvollständig wäre. Das Buch ist ein Dialog, Theophilus vertritt die Ansichten von Leibniz und Philalethes den Standpunkt von Locke. Am Ende muss er zugeben: „Sie scheinen die Verteidigung der gemeinen Logik zu führen, aber ich sehe wohl, dass, was Sie vorbringen, einer höheren Logik angehört, zu der sich die gemeine verhält, wie das ABC zur Wissenschaft.“

Das Anti-Locke-Buch erschien 1765 in Druck, die Ideen zur höheren Logik landeten aber in der gigantischen Zettelwirtschaft, die den Nachlass von Gottfried Wilhelm Leibniz bildet. Einen kleiner Teil publizierte 1840 der in Halle tätige Philosophieprofessor Eduard Erdmann. 1857 verfasste der Tscheche František Boleslav Květ eine erste Analyse unter dem Titel Leibnitz’ens Logik. Für Květ war sie „diejenige Wissenschaft, welche die Art und Weise lehrt, wie alle Wissenschaften aus hinreichenden Daten zu beweisen und zu erweitern sind.“

1901 erschien das 622-Seiten-Werk La logique de Leibniz von Louis Couturat: zwei Jahre später folgte die zugehörige Sammlung von Handschriften. Der französische Logiker hatte Zugang zum gesamten Nachlass, seine Opuscules et fragments inédits de Leibniz sind eine der größten Editionsleistungen der Philosophiegeschichte. Die neueste und vollständigste Quellensammlung erstellte die Leibniz-Forschungsstelle Münster; sie lässt sich hier herunterladen. Die Logik-Texte gehen bis Seite 1.343 – Leibniz war fleißig.

Der französische Logiker und Leibniz-Experte Louis Couturat (1868-1914)

Wer weder Latein noch Französisch beherrscht, mag einen Übersetzungsband studieren, der 1960 in Berlin erschien. Der Herausgeber der Fragmente zur Logik  war Franz Schmidt. Das Buch steht nach Anmeldung im Internet Archive zur Verfügung. Auf Seite 241 beginnen die Allgemeinen Untersuchungen über die Analyse der Begriffe und wahren Sätze. Die Arbeit aus dem Jahr 1686 gilt als die beste Darstellung, die Leibniz über seine Logik zu Papier brachte. Die Fachwelt kennt sie auch als die „Generales Inquisitiones“.

Was besagen nun die Untersuchungen unseres Universalgelehrten? Im Wesentlichen verwandelte er die klassische Syllogistik in eine Formelsprache, die sich der modernen Aussagenlogik näherte. Leibniz unterschied Ausdrücke und Sätze, er schuf aber auch eine Vorstufe des aus der Prädikatenlogik bekannten Existenzquantors. Hierfür nahm er den Buchstaben Y. Das grundlegende Axiom seiner Logik hat die Form A = A; zwei Ausdrücke A und B kann man nebeneinander setzen und erhält einen dritten Ausdruck AB.

Im Versuch der beweisenden Syllogistik benutzte Leibniz die alten und die neuen Formeln Seite an Seite; der Entwurf steht auf S. 372 der Schmidt-Edition. Dank der Diagramme ist er uns Heutigen etwas leichter zugänglich. Das Schlusswort wollen wir dem Geburtstagskind überlassen. In einem Werbetext für seine Logik schrieb Gottfried Wilhelm Leibniz: „Und wenn jemand an dem, was ich vorgebracht haben würde, zweifelte, würde ich zu ihm sagen: ‚Rechnen wir, mein Herr!‘, und Feder und Tinte nehmend, würden wir uns bald aus der Verlegenheit ziehen.“

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Ein Kommentar auf “Herr Leibniz und seine Logik”

  1. Herbert Bruderer sagt:

    Man liest immer wieder, dass Leibniz das Dualsystem erfunden hat. Es ist jedoch viel älter:
    The Binary System Was Created Long Before Leibniz | blog@CACM | Communications of the ACM
    October 10, 2017

    Gibt es ein Bild des eitlen Leibniz ohne die (im Sommer wohl sehr heiße) Perücke?

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