Können wir die Technik überleben?

Geschrieben am 24.06.2025 von

Der Mathematiker John von Neumann (1903-1957) war einer der Väter des Computers. Neben fachlichen Texten verfasste er auch Beiträge, die sich an eine breitere Leserschaft wandten. Im Juni des Jahres 1955 veröffentlichte die Zeitschrift „Fortune“ einen Artikel von ihm mit dem Titel „Can We Survive Technology?“. Darin widmete sich von Neumann der Zukunft unserer Welt.

Das englische Wort „Fortune“ bezeichnet das finanzielle Vermögen, doch auch das Glück, das wir in unserem Leben haben. Es erstaunt also nicht, dass der amerikanische Verleger Henry Luce einem neuen Wirtschaftsmagazin diesen Titel gab. Die erste Nummer erschien im Februar 1930 in New York.

1955 feierte die Zeitschrift den 25. Geburtstag. Das mag der Grund gewesen sein, dass sie im Juli-Heft die erste Fortune-500-Liste der größten US-Firmen abdruckte. Im Juni brachte sie einen Artikel zur künftigen Entwicklung der Welt. Als Autor wählte sie den Mathematiker und Computerpionier John von Neumann. Er war lange nur Fachleuten sowie Spitzenbeamten und Militärs  bekannt, doch seit März 1955 gehörte er der Atomenergiekommission an, dem wichtigsten zivilen Beratergremium der Regierung. Dadurch nahm ihn auch die Öffentlichkeit wahr.

John von Neumanns Beitrag trug die Überschrift „Can We Survive Technology?“ – das letzte Wort meinte 1955 die gute alte „Technik“. Man kann den Artikel hier lesen. Die Frage nach dem Überleben war hochaktuell, denn es lief der Kalte Krieg, in dem sich Amerikaner und Russen mit Atombomben belauerten. Auch von Neumann stellte eine allgemeine Krise und eine militärische „instability“ fest. Außerdem notierte er die „political effectiveness“ von nichteuropäischen Nationalismen. Meinte er die Unabhängigkeitsbewegungen in Afrika? Oder den 1954 vorläufig beendeten Krieg in Vietnam? Das bleibt unklar.

Positiv sah er die Entwicklung von Kernkraftwerken; er erwartete offenbar Reaktoren mit Kernfusion und eine unbegrenzte Lieferung elektrischer Energie. Er rechnete ebenso mit raschen Fortschritten in der Automation und der elektronischen Datenverarbeitung. Der spannendste und immer noch lesenswerte Teil des Artikels galt dem „controlled climate“. John von Neumann wusste vom Treibhauseffekt, der Erwärmung der Atmosphäre durch die vom Menschen bewirkte Zunahme des Kohlendioxidgehalts, und dem dadurch ausgelösten Anstieg des Meeresspiegels.

John von Neumann in den 1950er-Jahren

Warnungen vor der Nutzung fossiler Brennstoffe äußerte er jedoch nicht. Andererseits dachte er an das, was heute Geoengineering heißt, zum Beispiel das Besprühen von arktischem Eis mit dunklen Partikeln, um es zum Schmelzen zu bringen. Seit den späten 1940er-Jahren gab es in politischen und militärischen Kreisen der USA Überlegungen zu Wetterkriegen, an denen sich auch John von Neumann beteiligte. Ähnliche Gedanken unterstellte man damals den bösen Sowjets.

In seinem Artikel betonte von Neumann aber die Erforschung und nicht den Einsatz von menschgemachten Klimaveränderungen. Gegen Ende des Textes beschäftigte er sich mit dem Verbot von bestimmten Techniken, das er ablehnte. Die Titelfrage, ob wir die Technik überleben, blieb letztlich offen; von Neumann konnte sich nicht zwischen Weltrettung und Weltuntergang entscheiden. Wenn überhaupt, dann empfahl sein Beitrag das kreative Durchwurschteln, „an intelligent exercise of day-to-day judgment“.

John von Neumann hat die Technik, die er vor siebzig Jahren analysierte, nicht überlebt. Im Februar 1957 starb er an einer Krebserkrankung, die wahrscheinlich auf seine Anwesenheit bei einem Atombombentest 1946 im Pazifik zurückging. Hier sehen wir ihn noch einmal live; die Aufnahme mit den Schülern entstand im September 1955. Im Dezember 1954 sprach er in New York bei der Übergabe des riesigen IBM-Computers NORC an die US-Marine, das ist der Originalton und das eine Transkription. Der Rechner ist oben im Eingangsfoto abgebildet.

In diesen Tagen können wir noch ein weiteres John-von-Neumann-Jubiläum begehen. Ende Juni 1945 verschickte der Mathematiker Herman Goldstine den „First Draft of a Report on the EDVAC“, die erste Beschreibung der sogenannten Von-Neumann-Architektur. Wir haben sie schon 2020 zum 75. Geburtstag im Blog geschildert.

Schließlich möchten wir noch auf den diesjährigen Digitaltag hinweisen, an dem das HNF drei kostenlose Online-Führungen anbietet.

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