An den Grenzen des Wachstums

Geschrieben am 01.03.2022 von

Der amerikanische Computerpionier Jay Forrester erfand in den 1950er-Jahren die Systemdynamik. Sie analysierte gesellschaftliche Vorgänge mit Digitalrechnern. In den frühen Siebzigern wandten der Betriebswirt Dennis Meadows und sein Team die Methode auf die globalen Folgen der Industrialisierung an. Ihre Studie für den Club of Rome erschien am 2. März 1972; sie wird bis heute gelesen.

Die 1960er-Jahre waren eine Epoche des Fortschritts; am Ende des Jahrzehnts standen Menschen auf dem Mond. 1968 gründete sich aber auch der Club of Rome; zu seinen Mitgliedern gehörten Top-Manager, Professoren, Politiker und hohe Beamte. Sie wollten einen Blick auf die Schattenseiten der technischen Welt werfen, auf Kriege, Krankheiten, Umweltzerstörung und Übervölkerung. Präsident der Vereinigung wurde Aurelio Peccei, der Chef der Firma Olivetti.

Die deutsche Ausgabe der Wachstums-Studie erschien im Frühjahr 1972. Dennis Meadows war der Projektleiter, das Buch verfasste aber vor allem seine Frau Donella.

Im Juni 1970 kam es bei einer Tagung des Club of Rome in Bern zu einem Gespräch von Peccei und dem amerikanischen Computerpionier Jay Forrester – wir trafen ihn im Blog. Forrester baute inzwischen keine Rechner mehr; er lehrte am Massachusetts Institute of Technology Betriebswirtschaft. In den 1950er-Jahren erfand er die Systemdynamik. Damit ließen sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse analysieren und am Computer durchspielen. Die Methode brachte Erfolge in der Industrie und in der Stadtplanung.

Von Aurelio Peccei erhielt Jay Forrester einen neuen Auftrag. Er sollte die Entwicklung der globalen Wirtschaft und die Folgen für Mensch und Erde berechnen. Im Flugzeug zurück nach Amerika skizzierte Forrester ein einfaches Weltmodell mit Feldern und Pfeilen. Im MIT arbeitete er die Version World2 aus. Sie enthielt fünf Parameter: Bevölkerungszahl, Industrieproduktion, Nahrungsmittel, Rohstoffe und Zustand der Umwelt. Das Modell berücksichtigte die Abhängigkeiten der Parameter voneinander und ihren Anstieg oder Abstieg im Laufe der Zeit.

Die wichtigsten Mitarbeiter von „The Limits to Growth“: Jørgen Randers, Jay Forrester, Donella und Dennis Meadows und William Behrens (Foto The Donella Meadows Project)

Um den Auftrag des Club of Rome zu erfüllen, bildete Forrester im Sommer 1970 eine Arbeitsgruppe. Neben dem Leiter, dem 28-jährigen Betriebswirts Dennis Meadows, wirkten sechzehn Forscherinnen und Forscher mit, darunter Meadows Frau Donella; sie war Biophysikerin. Im Team saßen auch drei westdeutsche Experten. Das hing damit zusammen, dass das Projekt von der Volkswagenstiftung finanziert wurde. Insgesamt betrug das Budget 250.000 Dollar, was damals etwa 800.000 DM entsprach.

Am 2. März 1972 legte Dennis Meadows in Washington das erste und bekannteste Ergebnis des Projekts vor: The Limits to Growth. Hauptautorin des rund zweihundert Seiten starken Buchs war Donella Meadows. Die deutsche Version „Die Grenzen des Wachstums“ kam wenige Monate später heraus; online ist leider nur eine Kurzfassung. Es folgten noch die Aufsatzbände „Towards Global Equilibrium“ und „Dynamics of Growth in a Finite World“; letzterer kann nach Anmeldung im Internet Archive gelesen werden.

Eine Hochrechnung ohne Nullwachstum mit Zusammenbruch der Weltwirtschaft

„Die Grenzen des Wachstums“ basierte auf World3, einer Weiterentwicklung von World2. Das Modell verwendete ebenfalls die erwähnten fünf Parameter und skizzierte ihr Auf und Ab für die Jahre von 1900 bis 2100. Für die Zeit ab 1970 spielten Dennis Meadows und seine Kollegen mehrere Szenarien der Industrialisierung und der Ausbeutung der Ressourcen durch; der Computer ermittelte die Bevölkerungsentwicklung und die Folgen für die Erde. Für Details verweisen wir auf das grundlegende Buch von Jay Forrester.

Welche Hardware dem Team zur Verfügung stand, wissen wir nicht; bekannt ist aber die von ihm benutzte Programmiersprache DYNAMO. Die Kurven der Resultate wurden auf einem Monitor und von einem normalen Drucker ausgegeben. Die Zeitachse verlief in Richtung des Papierstreifens, die Werte der Parameter erschienen in den aufeinander folgenden Zeilen als Großbuchstaben. Man erkennt das Verfahren in einem Bericht des australischen Fernsehens von 1973. Für Bücher und Artikel wurden die Kurven in der Regel grafisch bearbeitet.

Stabilisierte Vorausschau bei einer weltweiten Geburtenkontrolle (zwei Kinder pro Familie)

Das Endergebnis dürfte sich herumgesprochen haben: Nur wenn die Pro-Kopf-Produktion und die Weltbevölkerung konstant bleiben und der Rohstoffverbrauch schrumpft, entgeht die Menschheit der Katastrophe. In allen anderen Fällen drohen im 21. Jahrhundert Umweltzerstörung, globale Hungersnöte und der Zusammenbruch der Industriekapazität. Die Botschaft der Studie wurde oft in ein Wort gefasst – Nullwachstum. Die Grenzen des Wachstums sind mittlerweile sprichwörtlich. Das gleichnamige Buch erntete vom Tag der Veröffentlichung an laute Zustimmung und ebensolche Kritik.

Die Debatte läuft bis heute; das ist ein Artikel von 2022. „Die Grenzen des Wachstums“ entwickelte sich zum Millionenseller und zu einem Geburtshelfer der Öko-Bewegung. Wer die Hochrechnungen überprüfen möchte, kann das auf Deutsch oder Englisch tun. Weitere Software bietet die Deutsche Gesellschaft für System Dynamics an; hier gibt es die ganze Welt fürs Smartphone. Wir schließen mit einem älteren Video zur Wachstums-Studie und einem Thesenpapier, das die Deutsche Gesellschaft Club of Rome zu ihrem 50. Geburtstag veröffentlichte. Ein neues Klima ! Das wäre schön, aber ob das so einfach geht?

Tags: , , , , , , , , , , , , , , , , ,

3 Kommentare auf “An den Grenzen des Wachstums”

  1. Ergänzung: Prof. Dr. Eduard Pestel: Im Jahre 1968 war er einer der Gründer und seit 1969 Mitglied des Executive Comitee des Club of Rome. In dieser Funktion initiierte er die Arbeit an einem Computermodell zur Erforschung der Welt, welches 1972 mit der Veröffentlichung der Grenzen des Wachstums weltweit größte Aufmerksamkeit erlangte. Um die erkennbaren Schwächen des Weltmodells zu überwinden, entwickelte er zusammen mit seinem US-Kollegen Mihajlo D. Mesarovic ein regionalisiertes Weltmodell und das Konzept des organischen Wachstums. Dies wurde 1974 als zweiter Bericht an den Club of Rome veröffentlicht (Menschheit am Wendepunkt). 1978 war er an der Gründung der Deutschen Gesellschaft Club of Rome (DGCoR) beteiligt, deren Vorsitz er bis zu seinem Tod innehatte.

    1975 gründete er zusammen mit sechs weiteren Wissenschaftlern das Institut für angewandte Systemforschung und Prognose (ISP) in Hannover, welches nach seinem Tod in Pestel-Institut für Systemforschung umbenannt wurde. Anlass war ein Auftrag der Bundesregierung zur Erarbeitung eines computergestützten Modells für die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland (Das Deutschland-Modell). Er war Vorstand des Haus Rissen Hamburg – Institut für Internationale Politik und Wirtschaft.

    Im November 2016 wurde Kritik an Pestels Verhalten in der Zeit des Nationalsozialismus laut, die sich im Wesentlichen auf einen Brief bezog, den er als Stipendiat 1938 geschrieben hatte und dem ein zu dieser Zeit in den USA kursierendes antisemitisches Flugblatt beilag. Die Leibniz-Universität Hannover teilte nach eingehender Prüfung mit, dass sich Pestel „während der NS-Zeit in einer aus heutiger Sicht inakzeptablen Weise verhalten hat“. (Wikipedia)

  2. Rainer Kirmse , Altenburg sagt:

    WACHSTUMSWAHN

    Man produziert und produziert,
    Plündert Ressourcen ungeniert.
    Gewinnmaximierung ist Pflicht,
    Die intakte Natur zählt nicht.
    Börsenkurse steh’n im Fokus,
    Umweltschutz in den Lokus.

    Plastikflut und Wegwerftrend,
    Man konsumiert permanent.
    Nur unser ständiges Kaufen
    Hält das System am Laufen.
    Unser westlicher Lebensstil
    Taugt nicht als Menschheitsziel.

    Die Jagd nach ewigem Wachstum
    Bringt letztlich den Planeten um.
    Das oberste Gebot der Zeit
    Muss heißen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Profit zu streben,
    Im Einklang mit der Natur leben.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen

  3. Karl-Ludwig Butte sagt:

    Auf der Suche nach weiteren Informationen zum World3-Modell bin ich auf einen Hinweis zur seinerzeit verwendeten Hardware gestoßen, auf dem Team um Dennis Meadows die Berechnungen durchführte: Brian Hayes, ein amerikanischer Wissenschaftler, Kolumnist und Autor, erwähnt auf seiner Web-Seite „bit-player“ (http://bit-player.org/) im Artikel „World3, the public beta“ (http://bit-player.org/2012/world3-the-public-beta), dass das Original World3-Modell auf IBM 360 und 370 Maschinen gelaufen sei (Abschnitt „Putting World3 in a web browser“).

    Leider macht er keine Angaben, in welcher Programmiersprache das Modell implementiert wurde. Erst für die Version von 1972 gibt Hayes Dynamo als Programmiersprache an (Abschnitt: DYNAMO and toposorting). Laut Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/DYNAMO_(programming_language)) wurden die frühesten Implementierungen von Dynamo in Assembler für IBM 704, IBM 709 und IBM 7090 geschrieben.

    Es ist also noch etwas mehr Forschung nötig, um die Hardware-/Software-Konstellation, die für die World3-Modell-Simulation verwendet wurde, zu klären. Auf jeden Fall ist aber der Artikel „World3, the public beta“ von Brian Hayes die Lektüre wert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.