„Aus gegebenem Anlass…“

Geschrieben am 16.12.2016 von

Von 1982 bis in die frühen Neunziger strahlten die Regionalprogramme der ARD die Serie „Büro, Büro“ aus. Ihre 85 Folgen lieferten ein humorvolles Porträt der deutschen Angestelltenwelt. Sie spielten in einer fiktiven Firma Lurzer und zu der Zeit, als die klassischen Büromaschinen vom Computer abgelöst wurden. Wie schlug sich dieser Übergang in der Serie nieder?

Annette Münzner hat es eilig. Die Zeitarbeitsfirma vermittelte die Stenotypistin an die Lurzer KG, die irgendwo in Nordrhein-Westfalen Trimm-dich-Geräte baut. Sie stellt ihr Auto auf dem Parkplatz der Firma ab, auf der Fläche, die für den kaufmännischen Direktor Dr. Herbert Brokstedt reserviert ist. Als der eintrifft und nicht parken kann, geht ihm der Hut hoch. Sein Blutdruck steigt noch höher.

Willkommen im Jahr 1982 und der ersten Folge der Serie Büro, Büro. Sie spielte genau dort, in den Räumen einer Firma, wo Arbeitnehmer aller Gehaltsklassen ihrer Arbeit nachgehen – oder auch nicht. Die Serie entstand zwischen 1981 und 1991 in den Bavaria-Studios bei München. Ausgestrahlt wurde sie ab November 1982 in den Regionalprogrammen des 1. Programms. Jüngeren Lesern sei verraten, dass diese einst zwischen 18 und 20 Uhr mit geografisch wechselnden Inhalten zu sehen waren.

„Büro, Büro“ ist mittlerweile auf DVD erhältlich. Die 85 Folgen von 25 Minuten bieten, um Honoré de Balzac zu zitieren, eine menschliche Komödie der westdeutschen Angestelltenkultur. Wichtigster Drehbuchautor war der Dortmunder Schriftsteller Wolfgang Körner. Er erlebte die Welt der Büros, Chefs und Untergebenen jahrelang selbst, meist als städtischer Beamter. 1968 schrieb er das Skript für das Fernsehspiel Versetzung, das die Auswüchse bürokratischen Denkens anprangerte.

Olivetti Divisumma 24

Olivetti Divisumma 24.

Uns interessieren bei „Büro, Büro“ aber weniger die Auswüchse, sondern eher die Büromaschinen. Was sagt eine Fernsehserie aus den 1980er- und frühen 1990er-Jahren über Schreib- und Rechengeräte und die langsam anlaufende Digitalisierung? In der ersten Folge Das Schreibwunder tippt die schon erwähnte Stenotypistin – sie ist mit dem Titel gemeint – superschnell auf einer Olympia Electric 65. Die traditionsreichen Schreibmaschinen wurden 1981, als man die Folge drehte, vor den Toren von Wilhelmshaven gefertigt. 1992 endete allerdings die Produktion.

Noch vorhanden ist die ATIS systems GmbH in Bad Homburg. Gegründet wurde sie 1946 als Wolfgang Assmann GmbH; sie stellte unter anderem Diktiergeräte her. 1958 kam das Assmann 80 Universa auf den Markt, das das gesprochene Diktat auf einer Magnetplatte speicherte – analog natürlich. Das Modell wurde bis in die 1970er-Jahre gebaut. Wir finden es auch im Schreibbüro der Lurzer KG, und wer genau hinschaut, sieht die Magnetplatten in ihren Papierhüllen. Hier bediente sich der Ausstatter wohl im Büromaschinenlager der Bavaria.

Das einzige High-Tech-Gerät liegt auf dem Schreibtisch im Büro von Dr. Brokstedt. Es ist ein kleiner Synthesizer der Marke VL-1. Die japanische Firma Casio stellte ihn 1981 vor. Das „Büro, Büro“-Team erwarb ihn wahrscheinlich in einem Kaufhaus der Münchner Fußgängerzone. Im Fundus der Studios könnte die Olivetti Divisumma 24 gestanden haben, die mehrmals in den ersten Folgen auftaucht. Die elektrische Rechenmaschine mit Druckwerk wurde von 1956 bis 1973 produziert.

IBM PS/2

IBM PS/2.

Die Computerzeit bricht in der 29. Folge mit dem Titel Betriebsprüfung an. Sie entstand 1984. Die Rechner werden den Schreibkräften einfach vor die Nase gesetzt, mit Ausnahme des Druckers, der in die Teeküche kommt. Die Druckerkabel zerbeißt in Folge 31, Stichwort Sabotage, ein frei herumlaufender Bürohund. Mit Folge 38 und dem Fehler im System trifft die Serie endgültig im Orwell-Jahr ein. Die erbosten Angestellten stoßen auf eine heimlich installierte Anlage zur Video-Überwachung. Ein verständnisvoller Manager setzt sie aber außer Gefecht.

Die 39. Folge Ganz in Weiss brachte eine wilde Mischung von Science-Fiction-Elementen. Dr. Brokstedt erhält einen schwarzen und sprechenden Computer mit Künstlicher Intelligenz, und die übrigen Terminals gewinnen plötzlich die Fähigkeit der Bildtelefonie. Eine weitere Szene zeigt den vermutlich ersten Akustikkoppler in einer deutschen TV-Produktion. Schließlich stürzt das gesamte System der Firma ab, wird aber von einem kindlichen Computerfreak gerettet. Die Gebühren dafür kassiert sein Roboter Lulatsch, der über die Lurzer-Flure rollt und Leute erschreckt.

Bei den Spätfolgen beschränken wir uns auf kurze Beobachtungen. In Nr. 71, Liebe per Computer, sitzt der fiese Dr. Scheibing am Laptop: wir tippen auf den Compaq SLT/286 von 1988. Zwölf Folgen später ist in Der Spezialist zu erkennen, dass die Firma Lurzer sündteure PS/2-Systeme von IBM anschaffte. Die letzte Folge, Kein Grund zum Feiern, wurde 1991 gedreht. Bei Minute 10:37 greift eine Lurzer-Angestellte nach der zurückhaltenden Liebesszene zum Handy, einem Motorola DynaTAC.

Weil wir davon ein schönes Foto haben, setzten wir es an den Schluss, siehe unten (Foto: Jan Braun, HNF). Das Eingangsbild oben zeigt das Haus, das in vielen Episoden am Anfang erschien und die Lurzer KG doubelte, die Zentrale des FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht in Grünwald. Und wer noch ein Weihnachtsgeschenk sucht: „Büro, Büro“ gibt es auch als Buch und gar nicht so teuer.

DynaTAC 8000X

Eingangsbild: FWU Institut für Film und Bild, BY SA 4.0

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Ein Kommentar auf “„Aus gegebenem Anlass…“”

  1. Stefan sagt:

    Vielen Dank, das ist hochinteressant, es mal von diesem Standpunkt sieht. ich habe ich auch schon oft gefragt, welches Bürogebäude man da im Vorspann von außen sieht..

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