Das Ende eines Patents

Geschrieben am 14.07.2017 von

Jeder Erfinder möchte sein geistiges Eigentum schützen. Dazu meldet er die Erfindung zum Patent an. Falls alle Unterlagen korrekt sind und niemand Einspruch erhebt, gewährt das Patentamt den Schutz. 26 Jahre lang versuchte Konrad Zuse, ein Patent für seinen Digitalrechner zu erhalten. Am 14. Juli 1967 wies das Bundespatentgericht in München seine Bemühungen endgültig zurück.

„In Sachen der Patentanmeldung Z 391 IXc/42m der Zuse KG., Bad Hersfeld, wegen Patenterteilung hat der 17. Senat […] des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 14. Juli 1967 unter Mitwirkung der Senatsräte Westphalen, Dipl.-Ing. Zoller, Dr. Günther und Spitznagel beschlossen: Die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluß der Patentabteilung IXc des Deutschen Patentamts vom 20. September 1962 wird zurückgewiesen.“

So endete vor 50 Jahren der Versuch von Konrad Zuse, seinen Computer, die erste digitale, binäre, programmierbare und speicherfähige Rechenanlage der Welt, patentieren zu lassen. Der Text ist das endgültige Urteil des Bundespatentgerichts. Es wies Zuse Einspruch gegen die Ablehnung der Patentierung durch das Deutsche Patentamt zurück. 1967 saßen Amt und Gericht im gleichen Gebäude an der Münchner Zweibrückenstraße, direkt gegenüber dem Deutschen Museum. Inzwischen zog das Patentgericht in den Stadtteil Fasangarten.

Begonnen hatte Zuses Patentaffäre vor dem Krieg in seinem Wohnort Berlin. Der junge Ingenieur meldete im dortigen Patentamt am 11. April 1936 ein Verfahren zur selbsttätigen Durchführung von Rechnungen an. Am 9. Mai folgte die Anmeldung eines mechanischen Schaltglieds und am Heiligen Abend von einer „Rechenmachine-Rechenanlage“. 1937 kamen zwei Patentgesuche für ein Schaltglied und für einen Speicher hinzu. Am 16. Juni 1941 trug Konrad Zuse unter Aktenzeichen Z 26476 eine Rechenvorrichtung ein. Dazu gleich mehr.

Bis 1945 erfolgten drei weitere Anmeldungen, die aber hier nicht interessieren. Die Anträge vom 11. April und 24. Dezember 1936 zog Zuse später zurück. Nach Kriegsende lag das deutsche Patentwesen am Boden. Konrad Zuse fand aber einen Ausweg und meldete am 2. April 1947 ein Rechengerät in Österreich an. Dafür erhielt er am 1. Juli 1952 sein allererstes Patent. 1949 startete das deutsche Amt neu in Räumlichkeiten des Deutschen Museums. Zehn Jahre später bezog es das Gebäude an der Zweibrückenstraße.

Am 14. November 1951 reichte Zuse seine alte Anmeldung für eine Rechenvorrichtung erneut ein; sie erhielt das Aktenzeichen Z 391 IXc/42m. Dabei bezeichnet 42m die Patentklasse für Rechengeräte. Der Antrag beschrieb den von ihm erfundenen Computer, eine Kombination aus einem im Dualsystem und mit Fließkommazahlen operierenden Rechenwerk, einem Speicher und einem Planwerk. Dieses arbeitet den Rechenplan ab, also das Programm. Die Ähnlichkeit zu Zuses 1941 gebauter Rechenanlage Z3 ist unverkennbar.

Buchungsmaschine der Firma Triumph aus den 1950er-Jahren (Foto Deutsche Messe AG)

Das Münchner Patentamt machte Zuses Anmeldung im Dezember 1952 bekannt. Im April 1953 traf ein Einspruch gegen eine Patentierung ein. Absender waren die Triumph Werke Nürnberg, die Motorräder, Mopeds und Büromaschinen produzierten. Mit ihm begann ein Tauziehen zwischen Triumph und der Zuse KG, bei dem letztere den Patentantrag immer wieder umschrieb und Triumph mit Dokumenten aus der Computergeschichte antwortete. Sie sollten belegen, dass andere Erfinder Zuses Konzept vorweggenommen hatten.

Wie es scheint, wurde die Nürnberger Firma bei ihren Bemühungen von der IBM Deutschland unterstützt. Im Juli 1957 fand dann in Nürnberg ein Friedensgespräch zwischen Triumph-Managern und Konrad Zuse statt. 1958 fusionierte Triumph mit den in Frankfurt am Main sitzenden Adlerwerken, und der Kampf ging weiter. 1959 hellte sich die Situation für die Zuse KG auf. Am 30. Juli sprachen sich die Patentprüfer dafür aus, Z 391 zu genehmigen.

Es kam. wie es kommen musste: Anfang 1960 widersprach Triumph erneut. Eine andere Abteilung des Patentamts übernahm die Akten; am 20. September 1962 verweigerte sie die Erteilung eines Patents. Nun blieb Konrad Zuse nur der Weg vor das im Vorjahr gegründete Bundespatentgericht. Am 14. November 1962 legte er dort gegen die Entscheidung des Amts Beschwerde ein. Im Verfahren änderte er seinen Patentantrag noch zweimal, doch es half nichts. Wie bereits erwähnt, wies das Gericht seine Beschwerde am 14. Juli 1967 ab.

Bis heute diskutiert werden zwei Sätze der Begründung: „Die Neuheit und Fortschrittlichkeit des mit dem Hauptantrag beanspruchten Gegenstands sind nicht zweifelhaft. Indessen kann auf ihn mangels Erfindungshöhe kein Patent erteilt werden.“ Diese Aussage hat Konrad Zuse schwer getroffen. Zu beachten ist aber, dass sie sich auf eine verwässerte Version seines ursprünglichen Konzepts bezog. Die Urfassung entstand 1941; von 1956 bis 1966 wurde sie mehrmals überarbeitet, um die wiederholten Einsprüche von Triumph abzuwehren.

Dass Konrad Zuse vor 50 Jahren scheiterte, hatte vor allem einen Grund: Es gab schon viele Patente und Publikationen zu neuartigen Rechengeräten, die gegen ihn ins Feld geführt werden konnten. Dazu zählte etwa die analytische Maschine des Iren Percy Ludgate von 1909 oder der programmierbare Astronomie-Rechner von Louis Couffignal. Der französische Mathematiker beschrieb ihn 1938 in seiner Doktorarbeit. Dass diese Systeme reine Theorie blieben und Zuse nichts von ihnen wusste, interessierte die Patentrichter nur wenig.

Weitere Details zum Verfahren bringt der Aufsatz „Die Mühlen des Patentamts“, den Hartmut Petzold im Sammelband „Die Rechenmaschinen von Konrad Zuse“ (Berlin 1998) publizierte. Ein dickes Aktenpaket kann im virtuellen Zuse-Archiv heruntergeladen werden. Unser Eingangsfoto zeigt das Bundespatentamt inklusive Gericht im Jahr 1961 (CC-BY-SA 3.0).

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2 Kommentare auf “Das Ende eines Patents”

  1. Konrad Zuse sagte einmal zu mir „Ich habe nach dem Urteil lange Jahre keine IBM-Geschäftsstelle mehr betreten.“

  2. Ein interessanter Einblick, wie sich Patente als historische Quelle nutzen lassen. In den USA entspann sich ja etwa zur selben Zeit ein ähnlicher Konflikt um die Patentierbarkeit des Computers, wie Tom Haigh in seinem Buch zeigt: Haigh, Thomas/Priestley, Mark/Rope, Crispin: ENIAC in Action: Making and Remaking the Modern Computer, Cambridge, MA; London 2016 (History of computing).

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