Der Computer in der Baracke

Geschrieben am 18.04.2023 von

Im April des Jahres 1953 wurde auf einer Ausstellung in London die Elliott 401 gezeigt. Sie war der dritte englische Computer eines privaten Herstellers. Die Elliott 401 hatte eine Länge von mehr als vier Metern, galt aber als kleiner Rechner. Sie arbeitete elf Jahre für ein landwirtschaftliches Forschungsinstitut. Heute steht sie im Londoner Science Museum.

Geht man bis zu ihren Anfängen zurück, dann wäre sie die älteste Computerfirma der Welt. Ihr Namensgeber William Elliott gründete sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts in London. Er fertigte Reißzeug, Lineale und Messgeräte aller Art. Seine Nachfahren erweiterten das Angebot auf elektrische und telegrafische Apparate; später kamen Instrumente für Schiffe und Flugzeuge hinzu. Ab den 1910er-Jahren baute Elliott Brothers, wie das Unternehmen inzwischen hieß, analoge Feuerleitrechner für die Kriegsschiffe der Royal Navy.

1946 entstand im Londoner Vorort Borehamwood eine Forschungsabteilung; dieses Foto zeigt die Belegschaft – oder einen Teil  – im Jahr 1953. Eines der ersten Produkte war die Elliott 152. Sie sollte ebenfalls Kanonenfeuer leiten, doch mit digitaler Technik. Im Inneren steckten 16 Speicherröhren; der Rechner multiplizierte zwei Zahlen in 60 Mikrosekunden. Die Marine blieb allerdings skeptisch, von der Elliott 152 entstand nur ein Prototyp. Die Elliott-Ingenieure sammelten jedoch viele Erfahrungen mit digitaler Elektronik.

Bedienpult und elektrische Schreibmaschine der Elliott 401; es fehlt der Lochstreifenleser für die Eingaben. Im geöffneten Computer sind Module für die Elektronenröhren erkennbar. (Foto Science Museum Group CC BY-NC-SA 4.0 seitlich beschnitten).

Sie kamen dem Computer Elliott 401 zugute. Er wurde im März 1953 fertig und wog über eine Tonne. Die Länge betrug 4,19 Meter, die Höhe 2,46 Meter und die Tiefe 61 Zentimeter – das galt damals als ein kleiner Rechner. Er enthielt 500 Röhren und 2.500 Kristalldioden sowie fünf Verzögerungsspeicher aus Nickeldraht; jeder nahm ein 32 Bit langes Datenwort auf. Als Hauptspeicher diente eine Magnetplatte; sie wurde dann aber durch eine Magnettrommel ersetzt. Die Elliott 401 benötigte für eine Addition 200 Mikrosekunden; eine Multiplikation dauerte sieben bis zehn Millisekunden.

Der Bau der Elliott 401 wurde staatlich gefördert, ihre Präsentation erfolgte in London. Vom 13. bis zum 17. April 1953 tagte dort die Physical Society, das Gegenstück zur Deutschen Physikalischen Gesellschaft; dazu lief im Imperial College, der Technischen Hochschule der Stadt, eine Ausstellung mit wissenschaftlichen Geräten. Zu ihnen gehörte die Elliott, die hervorragend funktionierte. In England war sie der dritte Computer eines privaten Herstellers nach dem Ferranti Mark 1 aus Manchester und dem LEO der Gebäck-Firma Lyons.

Nach den Vorführungen kehrte die Elliot 401 nach Borehamwood zurück. Im Juni 1953 wurde sie in der Universität Cambridge installiert und technisch verbessert. Im März 1954 gelangte sie in das traditionsreiche landwirtschaftliche Forschungsinstitut von Rothamsted; der Ort liegt nördlich von London Richtung Flugplatz Luton. Dort tat der Rechner jahrelang seine Dienste; im Farbfoto sieht man rechts seine Baracke. Im Juli 1965 kam er ins Depot des Londoner Science Museums; seit 2016 steht er in der Computerausstellung.

Modell der Elliott 803 (Foto Lawrence Wilkinson CC BY-NC-SA 2.0 seitlich beschnitten)

Die Elliott 401 blieb ein Einzelstück, vom ähnlichen Modell Elliott 402 entstanden zehn Systeme. Eines erwarben 1958 die Optischen Werke Ernst Leitz in Wetzlar; dort trat es die Nachfolge des Relaisrechners Zuse Z5 an. Ein besonderes Projekt war die Elliott 403, die die Raketenforscher auf dem australischen Startplatz Woomera unterstützte. Von 1956 bis 1962 produzierte Elliott 33 Exemplare des voluminösen Modells 405. Vermarktet wurde es von der Registrierkassenfirma NCR, was zum Namen National-Elliott führte. Erhalten ist ein BBC-Film mit einer Elliott 405 aus dem Jahr 1969.

Ab 1958 baute das Unternehmen – es nannte sich jetzt Elliott Automation – Rechner mit Transistoren. Vom mittelgroßen Elliott 803 wurden mehr als zweihundert Stück geliefert. Erfolgreich waren auch die Minicomputer der Serie 900. Im Februar 1967 besuchte der sowjetische Ministerpräsident Alexei Kossygin das Werk; so berichtete die Wochenschau. Am Ende des Jahrzehnts ging Elliott zusammen mit anderen Herstellern im ICL-Konzern auf; damit endeten über 160 Jahre Firmengeschichte. Unser Eingangsbild zeigt die Elliott 401 (Foto Science Museum Group CC BY-NC-SA 4.0 seitlich beschnitten).

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