Der patentierte Roboter

Geschrieben am 12.08.2022 von

Ab 1928 führten Bastler in Amerika und Europa künstliche Menschen aus Metall vor. Bei uns trat vor allem Sabor auf, eine Schöpfung des Schweizers August Huber. Vor siebzig Jahren erfand er einen weiteren Roboter, der Prospekte verteilen konnte. Am 11. August 1952 beantragte Huber für ihn ein Patent; am 30. November 1954 wurde es erteilt.

„Die vorliegende Erfindung betrifft einen die Gestalt eines Lebewesens aufweisenden Roboter. Gegenüber den bisher bekanntgewordenen Robotern unterscheidet sich der Erfindungsgegenstand dadurch, daß derselbe Mittel aufweist, um selbsttätig Gegenstände an Passanten austeilen und die letzteren akustisch aufmerksam machen zu können.“

So beginnt die Patentschrift Nr. 303.481, die das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum am 1. Februar 1955 veröffentlichte. Eingereicht hatte das Patentgesuch August Huber aus dem Schweizer Kanton St. Gallen am 11. August 1952. Das Amt trug die Erfindung am 30. November 1954 ein; der Titel Die Gestalt eines Lebewesens aufweisender Roboter nahm den Anfang der Patentschrift vorweg. Sie umfasste sieben Textseiten und sechs Zeichnungen und ist ein seltenes Dokument in der Geschichte der Show-Robotik.

Patentzeichnungen zum Roboter Kilian/Nico. Nr. 22 ist die Achse mit den Nockenscheiben.

August Laurent Huber wurde 1911 geboren und wuchs in Niederteufen südlich von St. Gallen auf; sein Vater besaß eine Weberei im nahen Gossau. Huber erlernte den Beruf des Textilkaufmanns, aber er verbrachte auch viel Zeit in der Werkstatt. Mit zwölf Jahren baute er den ersten Sabor-Roboter. 1938 vollendete er den ferngesteuerten und menschenähnlichen Sabor IV – wir beschrieben ihn im Blog. Der Zweite Weltkrieg stoppte seine Auftritte. 1950 führte August Huber ihn wieder vor; dies ist ein Zeitungsbericht vom August 1951.

Damals kam dem Erfinder wohl die Idee, für den 2,35 Meter hohen Sabor einige Begleiter zu entwickeln. Nach einem Artikel von 2017 waren es „der Kilian, das Strick-Lineli, das Hula-Hoop-Gritli oder die Jonglier-Susanne“. Uns interessiert der 1,60 Meter große Kilian, denn auf ihn bezog sich das Patent. Vorgeführt hat Huber ihn nicht; in den frühen 1950er-Jahren verkaufte er seine Roboter dem Ingenieur Peter Steuer, der mit ihnen auf Tournee ging. Aus den Unterlagen können wir uns ein Bild von Kilian oder Nico, wie er später hieß, machen.

Blick auf den Tonkopf des Magnetophons – links im Band erkennt man einen kurzen Schlitz zum Auswählen eines Ansage. Details enthält das Schweizer Patent Nr. 303.481.

Der Roboter sollte hauptsächlich Prospekte verteilen. Er nahm sie aus einem umgehängten Behälter und hielt sie den Passanten entgegen, die vorüber liefen. Dabei wiederholte ein im Kopf eingebauter Lautsprecher einen Spruch wie „Bitte bedienen Sie sich“. Wenn jemand stoppte und den Prospekt mitnahm, schloss sich in der Hand des Roboters ein elektrischer Kontakt. Aus dem Lautsprecher ertönte ein „Danke schön!“, und die linke Hand salutierte. Die rechte senkte sich und holte den nächsten Prospekt hervor.

Im Inneren des Roboters verbargen sich ein Elektromotor und eine Programmsteuerung mit Nockenscheiben, die Aktionen der Hände und Arme bewirkten. Ein zweiter Motor sorgte für die Bewegung des Kopfes oder wenigstens der Augäpfel. Im Sockel oder außerhalb des Kunstmenschen saß ein Tonbandgerät; eine Endlos-Schleife speicherte die oben erwähnten Sprüche. Das Magnetband wies in Längsrichtung zwei Schlitze auf, mit denen der Wechsel von einem Spruch zum anderen ausgelöst wurde.

Schnappschuss vom Sabor-Pavillon der Brüsseler Weltausstellung 1958. Unter dem Wort ROBOT steht Nico. (Foto Museumsstiftung Post und Telekommuniikation Berlin)

Der Prospekt-Roboter hieß zunächst Kilian und sah aus wie ein Hotel-Page. Später wurde aus ihm „Nico der Unermüdliche“ mit pechschwarzem Kopf; wir sehen ihn ganz links in unserem Eingangsbild (Foto Museumsstiftung Post und Telekommunikation Berlin). Aus der Zeit um 1960 ist ein Flugblatt zu ihm und Sabor überliefert: „Durch die Zusammenarbeit dieser beiden Maschinen kann das Publikum optisch, akustisch und durch das gedruckte Wort reklamemäßig erfasst werden – eine fast lückenlose Auswertung sämtlicher Werbemöglichkeiten!“

Wie lange das Publikum so beworben wurde, wissen wir nicht, unbekannt ist ebenso das Schicksal des nimmermüden Nico. Peter Steuer verwandelte in den 1950er-Jahren Sabor IV in Sabor V. In den späten Sechzigern erfolgte der Umbau in einen Roboter-Astronauten, der schließlich in ein Museum wanderte. August Huber wechselte von der Robotik in das Feld der alternativen Medizin; er starb 1970. Hier ist ein letztes Mal Sabor; wir sehen ihn und seinen Besitzer Peter Steuer 1962 auf einer Erfindermesse in Wuppertal.

Roboter Nico in voller Größe (Foto Museumsstiftung Post und Telekommunikation Berlin)

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Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.