Der Ursprung der Enigma

Geschrieben am 07.07.2023 von

Die Enigma, erfunden von Arthur Scherbius, ist die bekannteste Chiffriermaschine der Welt. Entwickelt und gefertigt wurde sie in Berlin. Dort erfolgte am 9. Juli 1923 die Gründung der Chiffriermaschinen Aktiengesellschaft ChiMaAG. Das erste Enigma-Modell gab den codierten Text wie eine Schreibmaschine auf Papier aus. 1924 erschien die vertraute Version, die alle Buchstaben mit Lämpchen anzeigte. 

„Die Gesellschaft wurde am 9. Juli 1923 mit einem Kapital von 500 Mill. Mark gegründet. Zweck der Gesellschaft ist die Herstellung und der Vertrieb von Chiffrier- und Dechiffrier-maschinen, die Ausnutzung und Verwertung von Patenten und sonstigen Schutzrechten, soweit solche mit dem Chiffrierwesen zusammenhängen, der Ausbau des Chiffrier- und Dechiffrierwesens, die Beteiligung an anderen gleichartigen Unternehmungen.“

So begann am 18. September 1923 ein Artikel, der in der Berliner Börsen-Zeitung mehr als eine Spalte füllte. Die Gesellschaft war die Chiffriermaschinen Aktiengesellschaft ChiMaAG mit Sitz in der Hauptstadt. Die 500 Millionen Mark zeugen davon, dass die Firmengründung während einer galoppierenden Inflation erfolgte, die sich in den folgenden Wochen noch verschlimmerte. Der Artikel nannte keine Personen, wir wissen aber, dass an der Aktion der Ingenieur Arthur Scherbius beteiligt war, der Erfinder der Chiffriermaschine Enigma.

Arthur Scherbius und Johannes Giesberts, Postminister 1919 bis 1922 und Enigma-Förderer

Scherbius wurde am 30. Oktober 1878 als Sohn eines Kaufmanns in Frankfurt am Main geboren. Er studierte Elektrotechnik in München und Hannover; hier erwarb er 1904 den Doktortitel. Ab 1905 war er als freier Ingenieur tätig; er machte auch einige Erfindungen. Im Ersten Weltkrieg arbeitete Arthur Scherbius zunächst als Lehrer für Funktelegrafie; 1917 bekleidete er eine Stelle in einem militärischen Amt in Berlin. Am 23. Februar 1918 meldete er einen Chiffrierapparat zum Patent an; im November 1921 übertrag er jenes Patent an eine Firma namens Gewerkschaft Securitas, die nach altem Bergrecht organisiert war.

Der Apparat von Scherbius verschlüsselte einen Text, indem er die Buchstaben durch elektrische Leitungen schickte; dreh- oder verschiebbare Zwischenstücke ordneten die Verbindungen immer wieder neu. In den 1910er-Jahren lag die Idee in der Luft. Auch in den Niederlanden, Schweden und den USA wurden Chiffriergeräte mit rotierenden Walzen erfunden, durch die Stromleitungen liefen; ein Patent aus Dänemark mit einem Schieber schilderten wir im Blog. Im April 1918 führte Scherbius einen Prototyp seines Geräts im Hauptquartier des deutschen Heeres in Belgien vor. Im Mai folgte eine Präsentation im Reichsmarineamt.

Die „Handelsmaschine“ von 1923 mit vier Rotoren und Papierausgabe

Am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg, im Juni 1919 wurde der Friedensvertrag von Versailles unterzeichnet. Arthur Scherbius und sein Freund und Geschäftspartner, der Ingenieur Richard Ritter, entwickelten nun einen Chiffrierapparat für zivile Zwecke. Die Handelsmaschine enthielt vier Rotoren. Der Absender tippte den Klartext ein, die Maschine brachte die chiffrierte Fassung zu Papier. Der Empfänger gab diese in seine Maschine ein, die dann den Ausgangstext lieferte. Scherbius beschrieb das Verfahren im November 1923 in einer Fachzeitschrift.

Der erste Pressebericht zum Gerät stand jedoch am 10. Juni 1923 in der Berliner Börsen-Zeitung, bitte die zweite Spalte von links aufsuchen. Demnach zeigte Arthur Scherbius zwei miteinander verbundene Chiffriermaschinen in der Berliner Handelskammer. Es war einer von mehreren Terminen in der Reichshauptstadt und weiter weg. Im August 1923 fand eine Demonstration in Stuttgart statt, im Dezember führte Scherbius seine Erfindung bei der Schweizer Oberpostdirektion in Bern vor. Unterstützt wurde er jedes Mal vom ehemaligen Postminister Johannes Giesberts, der über die Wichtigkeit der Kryptologie referierte.

Das bekannteste Modell: die Enigma I der Wehrmacht mit Steckerbrett

Zur Vorführung gehörte die Übermittlung verschlüsselter Funktelegramme zwischen Berlin und Bern. Das dürfte der erste derartige Einsatz der Enigma gewesen sein, wie Scherbius‘ Maschine inzwischen hieß. Im Juli und August 1924 hatte ihr Hersteller einen Stand auf der Ausstellung, die während des Weltpostkongresses in Stockholm stattfand. Die ChiMaAG zeigte dort neben der Handelsmaschine die „Glühlampenchiffriermaschine“ Enigma A. Aus ihr entstand die Enigma, wie wir sie kennen.

Ab 1930 setzten die Reichswehr und später Wehrmacht und Luftwaffe das Modell Enigma I („Eins“) ein, 1934 folgte die Kriegsmarine mit der Enigma M. Arthur Scherbius erfuhr nicht mehr vom Erfolg; er starb am 13. Mai 1929 nach einem Unfall mit einem Pferdewagen. Seine Firma wurde am 5. Juli 1934 zur Chiffriermaschinen Gesellschaft Heimsoeth und Rinke oHG, geleitet von Rudolf Heimsoeth und Elsbeth Rinke. Heimsoeth & Rinke, wie man meist sagt, fertigten die Enigmas bis Mai 1945; insgesamt entstanden etwa 40.000 Stück.

Enigma M1 im „Enigma“-Museum (Foto Leif Jørgensen CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)

Die ältesten erhaltenen Maschinen dürften zwei Modelle von 1924 oder 1925 in Schweden sein. Die Sammlung im früheren Dechiffrierzentrum Bletchley Park besitzt eine Enigma D, die 1926 herauskam. Eine Marine-Enigma aus dem Jahr 1934 gibt es im dänischen Postmuseum in Kopenhagen. Es trägt warum auch immer den Namen Enigma; ein Video zu ihm ist hier. Unser Eingangsbild zeigt eine Enigma K plus Netzteil aus dem HNF. Sie gelangte 1939 oder später in die Schweiz, das Modell wurde aber schon 1927 auf den Markt gebracht.

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