Die erste Olivetti

Geschrieben am 04.07.2017 von

Seit kurzem besitzt das HNF eine historische Schreibmaschine aus Italien, die Olivetti M1. Sie war das erste Produkt der gleichnamigen Firma. Der Firmenchef Camillo Olivetti stellte die Maschine 1911 auf der Weltausstellung von Turin vor. Das Werbeplakat mit dem Poeten Dante entwarf der Maler Teodoro Wolf Ferrari. Bis 1920 wurden 6.000 Exemplare der M1 gefertigt.

Es ist Samstag, der 29. April 1911, in Turin. Die Stadt hat 415.000 Einwohner, die ganz aus dem Häuschen sind, denn heute eröffnet König Viktor Emanuel III. die Weltausstellung. Sie feiert den 50. Jahrestag der Gründung des Königreichs Italien. Die Internationale Exposition für Industrie und Arbeit, so der offizielle Titel, belegt 120 Hektar im Valentino-Park; neben Italien nehmen 30 Länder teil. Am ersten Tag kommen 70.000 Besucher. Als die Ausstellung am 19. November schließt, haben sie mehr als sieben Millionen Menschen gesehen.

Traum in Gips: deutscher Pavillon in Turin

Auf dem Gelände stehen Pavillons der einzelnen Ländern und zu verschiedenen Themen; Details berichtet eine umfangreiche Website. In einem der Gebäude, vielleicht in der Maschinenhalle, vielleicht auch im Pavillon der Presse, werden zwei Schreibmaschinen gezeigt. Es sind die ersten Maschinen aus italienischer Produktion. Die Typenbezeichnung lautet M1. Der Name des Herstellers ist Ing. C. Olivetti & C. Dahinter verbirgt sich die Firma von Camillo Olivetti aus Ivrea; der Ort liegt 50 Kilometer nördlich von Turin.

Der Firmenchef stammt ebenfalls aus Ivrea. Hier wurde er am 13. August 1868 als Sohn eines Textilkaufmanns geboren; seine Mutter war die Tochter eines Bankiers. Camillo Olivetti studierte an der Ingenieurschule und machte 1891 den Abschluss. Danach arbeitete er in London und beim Wechselstrom-Pionier Galileo Ferraris in Turin. 1893 fuhren die beiden nach Amerika, wo sie unter anderem den Erfinder Thomas Edison besuchten. Den Winter 1893/94 verbrachte Olivetti in Kalifornien als Assistent an der Stanford-Universität.

Das Vorbild: die US-Schreibmaschine Underwood. (Foto: Jan Braun, HNF)

Damit war er wohl der Erste, der aus dem späteren Silicon Valley technische Ideen in die Welt hinaustrug. 1896 gründete er im heimatlichen Ivrea die erste Firma, sie fertigte Messgeräte. Der Erfolg blieb mäßig. 1908 wagte Camillo Olivetti einen Neustart mit Schreibmaschinen. Die Technik hatte er in den USA kennengelernt. Sein erster Entwurf orientierte sich an der amerikanischen Underwood. Olivetti ließ sich Zeit mit dem Bau und Test von Prototypen, doch zur Weltausstellung 1911 lagen zwei fertige Maschinen des Modells M1 vor.

Für die Reklame fand Olivetti einen Künstler mit deutschen Wurzeln: Teodoro Wolf Ferrari. Er war der Sohn des aus Weinheim stammenden Malers August Wolf, den es später nach Venedig zog. Auf seinem Plakat porträtierte Wolf Ferrari den italienischen Nationaldichter Dante Alighieri. Der 1265 geborene und 1321 verstorbene Dante benutzte natürlich keine Schreibmaschine; er empfiehlt aber voller Ernst die neue Olivetti. Das Poster ist bis heute ein Klassiker der Büromaschinen-Werbung.

Dante empfiehlt Olivetti

Noch im Weltausstellungsjahr 1911 erhielt die Firma Olivetti einen Auftrag über hundert Maschinen vom italienischen Marineministerium. 1912 traf ein weiterer Großauftrag vom Ministerium für Post und Telegrafie ein. Olivetti fertigte die M1 bis 1920; in dieser Zeit entstanden 6.000 Exemplare. Nachfolgerin war das Modell M20 von 1920. 1938 übergab Camillo Olivetti den Chefsessel an seinen Sohn Adriano. Mit ihm stieg das Unternehmen zur Weltfirma auf. Camillo Olivetti starb am 4. Dezember 1943 in Biella am Fuße der Alpen.

Unser Eingangsbild zeigt die Olivetti M1, die man seit Anfang Juni in der Dauerausstellung des HNF bewundern kann. Die Abteilung im 1. Stock zeigt – siehe Foto unten (Foto: Jan Braun, HNF) – noch einen anderen Meilenstein aus Ivrea, die Olivetti Valentine von 1969. Auf ihr tippte nicht nur jeder Revolutionär mit Sinn für Ästhetik, sondern auch der Popstar David Bowie. Uns erinnert der Name aber an den Valentino-Park in Turin und die Weltausstellung 1911, wo die Karriere der Olivetti-Schreibmaschinen ihren Anfang nahm.

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