Er rechnete nur drei Jahre: TI-99/4A

Geschrieben am 01.06.2021 von

Vor vierzig Jahren wurde er vorgestellt, danach gingen fast drei Millionen Stück über den Ladentisch. Der TI-99/4A der Firma Texas Instruments zählt dennoch zu den großen Flops der Computergeschichte. Mit seinem 16-Bit-Prozessor war er ein Spitzenprodukt im Markt der Heimcomputer, doch der Konkurrenzkampf und gravierende Managementfehler führten zu Millionenverlusten. Im Oktober 1983 endete die Fertigung.

Im Herbst 1983 erwarben Mitarbeiter der Stiftung Warentest sieben Heimcomputer und die zugehörigen Peripheriegeräte. Sie prüften sie gründlich, das Endresultat veröffentlichten sie im Oktober 1984. Mit „Gut“ bewertet wurden nur zwei Geräte, der Commodore C64 und der TI-99/4A von Texas Instruments. Die schlechte Nachricht lautete, dass der TI-Rechner nicht mehr erhältlich war. Am 28. Oktober 1983 verkündete die Firma den Stopp der Produktion.

Damit endete die Karriere eines Rechners, der einst zu den Millionensellern im Markt der Mikrocomputer gehörte. Begonnen hatte sie 1976. In jenem Jahr brachte der texanische Elektronikriese einen neuen Mikroprozessor heraus, den TMS9900. Er verarbeitete 16 Bit lange Daten und ließ die Konkurrenz weit hinter sich. Intel in Kalifornien stellte erst 1978 den 16-Bit-Chip Intel 8086 vor. Texas Instruments merkte aber schnell, dass kaum jemand den TMS9900 haben wollte. 1976 fehlten schlicht und einfach die passenden Anwendungen.

Für Erweiterungskarten und Diskettenlaufwerke schuf Texas Instruments 1982 eine Expansionsbox zum TI-99/4A.

Als Lösung des Problems bot sich der Einsatz in einem Computer an. Da es weit und breit kaum Hersteller gab, die einen 16-Bit-Prozessor benötigten, beschloss das TI-Management, selbst einen kleinen Rechner zu produzieren. Er sollte nicht die Nerds und Wissenschaftler ansprechen, sondern ein echter Heimcomputer für technische Laien sein. Texas Instruments startete die Entwicklung und baute eine Fertigung auf, nicht im Firmensitz Dallas, sondern 500 Kilometer westlich in der Stadt Lubbock.

Im Juni 1979 erschien ein Prototyp auf der Consumer Electronic Show in Chicago; er trug den Namen TI-99/4. Ausgeliefert wurde er Anfang 1980. Für 1.150 Dollar erhielt der Käufer einen eleganten kleinen Rechner mit dem erwähnten Prozessor TMS9900, einem Arbeitsspeicher von 16 Kilobyte und 26 Kilobyte fest eingebrannte Software. Im Preis inbegriffen war ein Monitor. Die Peripheriegeräte wurden rechts wie ein Eisenbahnzug an die Tastatur gesetzt. Weniger schön waren die Tasten, die offenbar von TI-Taschenrechnern stammten.

Eine schlechte Programmierung machte den TI-99/4 aber unnötig langsam, und für einen Heimcomputer war er zu teuer. Insgesamt wurden gerade einmal 20.000 Stück verkauft. Texas Instruments lernte aus den Fehlern und schuf das verbesserte Modell TI-99/4A. Als Präsentationsort wählte die Firma die Consumer Electronic Show, die vom 31. Mai bis 3. Juni 1981 stattfand. In die Läden kam der neue Rechner im Spätsommer des Jahres, er kostete zwischen 525 und 550 Dollar. In der Bundesrepublik war er für 1.490 DM erhältlich.

Die letzte Ausführung des TI-99/4A war beige. (Foto Ron Reuter CC BY-SA 3.0 DE)

Der TI-99/4A besaß – siehe Eingangsbild – normale Schreibmaschinentasten; neben ihnen ließen sich Module für Spiele einschieben. Allerdings musste man weitere Daten von einer Magnetkassette oder einer Floppy Disk laden. Der Grafikprozessor TMS9918A erzeugte 256 mal 192 Pixel in fünfzehn Farben, Sonderausführungen gab es für Fernseher mit SECAM und PAL. Der Soundchip TMS9919 sorgte für Musik und Geräusche, zudem bot Texas Instrument ein Sprach-Modul an. Freien Spieleentwicklern machte die Firma aber das Leben schwer.

1982 sank der Verkaufspreis des TI-99/4A; eine Rabattaktion brachte ihn im September auf 199 Dollar. Zum Vergleich: Der schwächere VIC-20 von Commodore kostete 250 Dollar. Am Jahresende hatten mehr als eine halbe Million Amerikaner den Texas-Instruments-Computer erworben. 1983 ging der Preiskampf zwischen TI und Commodore weiter; beide Hersteller landeten schließlich bei 99 Dollar. Commodore konnte die daraus resultierenden Verluste wegstecken, bei den Texanern summierten sie sich aber auf 400 Millionen Dollar.

Am 28. Oktober 1983 gab Texas Instruments den Ausstieg aus dem Heimcomputermarkt bekannt. Die Lagerbestände ließen die Verkäufe noch bis 1984 weitergehen; unterm Strich fanden fast drei Millionen TI-99/4A einen Abnehmer. Später entstand um den Rechner keine große Retro-Szene, von historischem Interesse sind jedoch Spiele wie Hunt the Wumpus, Tunnels of Doom und Parsec. Einen lesenswerten Rückblick auf die TI-99/4A-Geschichte verfasste der Amerikaner Joseph Nocera: Hier ist der erste Teil, die Fortsetzung steht hier.

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3 Kommentare auf “Er rechnete nur drei Jahre: TI-99/4A”

  1. Ich finde, dass sowohl hier als auch in den beiden Artikeln von Nocera erwähnt werden sollte, dass der 16-BIT Mikroprozessor TMS 9900 ja eine Micro-Version des TI Minicomputers TI-990 war und auch in den späteren und kleineren CPUs desselben Minicomputers anzufinden war.
    Also ähnlich wie bei der DEC PDP-11 eine Miniaturisierung der Architektur erfolgte.
    Nur das DEC aus dem aus den Micro-PDP-11en keinen Homecomputer entwickelt hat.
    Schade eigentlich.
    (OK so sehr überzeugt der russische Elektronika BK-0010 Heimcomputer mit PDP-11 Architektur auch nicht…)

    1. Michael Röder sagt:

      Ich habe das Gerät nach sechs Monaten intensiver Arbeit an meinen Eltern, Weihnachten 1983 bekommen. Das war das größte Weihnachtsfest meines Lebens. Ich habe ihn wirklich sehr intensiv 4 Jahre lang benutzt und habe ihn heute noch. Den gebe ich auch nicht mehr her. War eine schöne Zeit. Und ein tolles Gerät

  2. Siegfried Schmitt sagt:

    Ich habe 1983 auch einen dieser TI99 4/A Geräte für 289 DM erworben, der heute noch in vollem Funktionumfang betriebsfähig ist.
    Es gab für den TI99 grundsätzlich schon ein Softwareumfang für Officeanwendungen, wie diese auch auf heutigen Rechnern noch laufen. Zu nennen wären da Funktionen wie Textverarbeitung, Tabellenverarbeitung, Datenbankanwendung und sogar ein kleines CAD Programm. Der Excelvorgänger Multiplan lief z.B. bereits schon 1981 auf dem TI99, bevor es auf Intel, Apple oder Commodore Rechnern zur Verfüfung stand. Ich habe auf dem Rechner meine IT Kenntnisse erworben und vertieft, was letztendlich dann auch zu meiner beruflichen Profession wurde. Auch wenn der Vergleich etwas hinkt muss man bedenken, das zur damaligen Zeit ein Bürocomputer wie die IBM /3 auch nur 32 KB RAM zur Verfügung hatte und nicht im Dialogbetrieb arbeitete sondern nur Stapelverarbeitung machte. Erst die IBM /3 Model 4 hatte eine Art Dialogbetrieb und nannte sich „Computer für Sofortverarbeitung“ mit bis zu 5 Workstation und 64 KB RAM. Es gibt auch heute nach 40 Jahren noch eine verschworene Gemeinschaft für den TI99 in den USA, Frankreich, Italien und Deutschland. Es werden auch noch Entwicklungen von einzelnen Ethusiasten für den TI99 vorangetrieben, wie eine neuen Grafikchip, SSD-Karten Laufwerke, die Anbindung des TI99 an das Ethernet mit dem Rasberry Pi (z.B. für die Dateiablage), RAM Karten usw. Über kurz oder lang wird sich diese Gemeinschaft allerdings altersbedingt ergeben, da der Nachwuchs sich heute mit aktuellen Systemen beschäftigt oder diese nur konsumiert. Für mich war der TI seiner Zeit weit voraus und zukunftweisend. Ein Manko waren die GROMs die auch als Kopierschutz dienen sollten, die den Rechner aber langsammer machten und ein Hemmnis für die Entwicklerszene war.

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