Es begann mit minirex – Taschenrechner aus der DDR

Geschrieben am 14.03.2023 von

Vom 11. bis 18. März 1973 fand in Leipzig die traditionelle Frühjahrsmesse statt. Die Besucher aus Ost und West sahen unter anderem den minirex 73, den ersten Taschenrechner aus der DDR. Er wurde in Erfurt entwickelt und in Mühlhausen gefertigt. Später entstanden dort auch wissenschaftliche Taschenrechner wie der vor allem in der Schule eingesetzte SR1.

Die Wessis waren schneller, aber der Vorsprung betrug nur ein Jahr. Wie wir es im Blog schilderten, brachten 1972 mehrere Firmen in der Bundesrepublik Taschenrechner heraus; die Prozessoren kamen aus den USA. 1973 zog die ostdeutsche Industrie nach. Auf der Leipziger Frühjahrsmesse im März wurde der minirex 73 vorgestellt. Er konnte addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren, kurz, er war der erste Taschenrechner der DDR.

Den Anstoß zur Entwicklung gab Otfried Steger, Minister für Elektrotechnik und Elektronik und Mitglied des Zentralkomitees der SED. Anfang 1972 reiste er nach Japan. Die DDR unterhielt noch keine diplomatischen Beziehungen zum Land, sie besaß aber in Tokio eine Handelsvertretung. Steger erwarb im Fernen Osten den Taschenrechner Busicom LE-120A, den kleinsten und flachsten auf dem Markt. Nach der Rückkehr von der Reise fragte er beim VEB Funkwerk Erfurt an, ob ein solches Gerät auch in der DDR realisierbar wäre.

Ein minirex 73   (Foto Thüringer Museum für Elektrotechnik)

Die Antwort fiel natürlich positiv aus; im April 1972 machte sich ein Entwickler-Kollektiv an die Arbeit. Am 20. Juni lief ein Labormodell des künftigen ostdeutschen Taschenrechners, drei Monate später lagen zehn Funktionsmuster vor. Im Inneren steckten Mikroprozessoren von Texas Instruments und vom Typ TMS0105NC; auf welchen Wegen sie die Ingenieure in Erfurt erreichten, ist uns nicht bekannt. Die Fertigung des Rechners übernahm der VEB Röhrenwerk Mühlhausen. Er erhielt den Namen minirex 73.

Vorgestellt wurde der kleine König bei der Leipziger Frühjahrsmesse von 1973, die vom 11. bis zum 18. März dauerte. Zum Rechner gehörte ein Netzteil, mit dem man ihn stationär betrieb oder die Akkus lud. Der minirex 73 kam zwei Jahre nach dem japanischen Vorbild und war dicker als der Busicom, doch schlugen die volkseigenen Betriebe in Erfurt und Mühlhausen den Großen Bruder im Osten; sowjetische Taschenrechner erschienen erst im Januar 1974. Für das Erfurter minirex-Kollektiv gab es den Orden Banner der Arbeit.

DDR-Taschenrechner konkret 400 und MR201; links liegt ein elka 135 aus Bulgarien. Das Foto entstand im alten Zuse-Computermuseum in Hoyerswerda.

Auf das Urmodell folgten die Typen minirex 74 und 75. Ab 1975 wurde statt der US-Chips die DDR-Kopie U820D eingesetzt, eine Entwicklung der Arbeitsstelle für Molekularelektronik Dresden. Die nächste Taschenrechner-Generation trug den Namen konkret. Der konkret 400 kostete 1.400 Mark; er verwendete einen Prozessor aus der UdSSR und konnte Kehrwerte bilden und Quadratwurzeln ziehen. Danach startete die MR-Serie mit flachem Design; ab Modell MR410 wurden die Zahlen mit Flüssigkristallen angezeigt.

1982 brachte das Röhrenwerk – es hieß mittlerweile VEB Mikroelektronik „Wilhelm Pieck“ Mühlhausen – den MR609 heraus. Er bot neben den Grundrechenarten, Wurzeln und Kehrwerten noch Winkel-, Logarithmus- und Exponentialfunktionen an und gilt als erster wissenschaftlicher Taschenrechner des Landes. Der Preis betrug – die Quellen sind sich nicht einig – um die 400 Mark. Der Rechner wurde auch in der Bundesrepublik verkauft; in der Tschechoslowakei entstand ein Nachbau. In der DDR war für 123 Mark die MR609-Kopie SR1 für Schüler und Schülerinnen erhältlich.

Vom „Schulrechner“ SR1 wurden in der DDR etwa eine Million Stück gebaut.

Der letzte und beste ostdeutsche Taschenrechner war der MR610; die Konstrukteure orientierten sich am SLC-3800 des japanischen Herstellers Toshiba. Daneben gab es noch Rechner im Querformat und ein Spezialmodell für Geodäten. Nähere Details liefern die Robotron-Seite und ein Artikel des Thüringer Museums für Elektrotechnik.  Wir bedanken uns bei Stephan Hloucal, das minirex-73-Foto daraus im Blog verwenden zu können. Wir schließen mit einem Film der DEFA aus dem Jahr 1987; er schildert die Arbeit einer jungen Brigade im VEB-Kombinat Mikroelektronik Erfurt. Das ist der erste und das der zweite Teil.

Unser Blog erscheint am 14. März, dem Internationalen Tag der Mathematik. Er basiert auf dem Pi-Tag, den das Exploratorium in San Francisco erfand. Eine schöne Einführung in die Geheimnisse der Zahl liefert dieses Buch; es bringt auch einen Merkvers für 3,141592 usw. Die Zahl der Buchstaben eines Worts entspricht jeweils einer Ziffer von Pi: „Dir o Held o alter Philosoph, Du Riesen-Genie! Wie viele Tausende bewundern Geister himmlisch wie Du und göttlich. Noch reiner in Aeonen wird das uns strahlen wie im lichten Morgenrot.“ Gemeint ist Archimedes, doch trifft der Vers sicher auf viele geliebte Menschen und Kollegen zu.

Mit fest eingebautem Pi: MR 6090 im Breitformat

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2 Kommentare auf “Es begann mit minirex – Taschenrechner aus der DDR”

  1. Wolfgang Lill sagt:

    Minirex 75 erhielten wir in der FIRMA VEB CHEMIE UND PILOTANLAGEN HEIDENAU/PIRNA 1975 2 Stück je 2500 MARK DER DDR. die GERÄTE WURDEN INVENTARSIERT und 6 Jahre abgeschrieben.

  2. JaKub sagt:

    Já měl doma k dispozici jako dítě tátovu minirex73. Dělal tehdy v Plzni ve Škodovce.
    Kalkulačku jsem nedavno doma objevil – stále funguje.
    Vzpomínám si, že mi tenkrát táta říkal, že stála stejně jako Trabant.
    Těch 74 a 75 verzí je ještě dost, ale dochovaných verzí minirex73 je hodně málo. Myla to první en dé er kalkulačka 🙂

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