Fernsehen – nicht nur zur Weihnachtszeit

Geschrieben am 23.12.2022 von

Vor siebzig Jahren startete das Fernsehen im geteilten Deutschland. Am 21. Dezember 1952 strahlte das Fernsehzentrum Berlin-Adlershof ein Versuchsprogramm aus. Vier Tage später eröffnete der Nordwestdeutsche Rundfunk in Hamburg den Sendedienst; zur Premiere gab es ein TV-Spiel über das Weihnachtslied „Stille Nacht“. Im Folgenden gehen wir näher auf die Vor- und Frühgeschichte des Mediums ein.

Stille Nacht, heilige Nacht! In der Geschichte des deutschen Fernsehens hat das Lied eine besondere Bedeutung. Es erklang am ersten Weihnachtstag 1952 in einer Live-Sendung aus Hamburg. An diesem Termin nahm der Nordwestdeutsche Rundfunk NWDR seinen regulären TV-Betrieb auf. Bereits am vierten Advent ging ein „offizielles Versuchsprogramm“ in den Äther über Berlin; mit ihm startete das Fernsehen der DDR.

Fernsehen gab es in Deutschland natürlich schon vorher. Am 8. März 1929 strahlte die Post vom Berliner Funkturm ein Testprogramm aus; von 1935 bis 1944 arbeitete in der Hauptstadt der Fernsehsender Paul Nipkow. Nach dem Zweiten Weltkrieg trafen sich TV-Fachleute in Berlin und Hamburg. In einem Bunker in Sankt Pauli unternahm der 1945 gegründete NWDR ab Frühjahr 1950 Fernsehversuche. Im Ost-Berliner Stadtteil Adlershof entstand ab Juni 1950 ein Fernsehzentrum; Sende- und Empfangsexperimente begannen Ende 1951.

Ein neueres Foto des NWDR-Fernsehbunkers

Die Entwicklung der europäischen Sendenormen überspringen wir. In beiden deutschen Staaten umfasste ein TV-Bild 625 Zeilen, von denen 575 tatsächlich genutzt wurden. Einen Überblick über die Fernsehwelt von 1950 liefert ein SPIEGEL-Artikel vom Juni des Jahres. Eine Wochenschau vom März zeigt ab Minute 6:00 einen der beiden Hamburger Sendebunker. Zur Ausstrahlung kam noch kein Studioprogramm, sondern ein elektronisch abgetasteter Film. Ende 1950 starteten Versuchssendungen an jedem Montag, Mittwoch und Freitag von 20 bis 22 Uhr.

Die Wochenschau vom 9. März 1951 bot einen Einblick – bitte zu Minute 5:50 gehen – ins allererste Studio. Wir sehen das Vorspiel auf dem Theater aus Goethes „Faust“. Die Kameras sind Superikonoskope Modell IS9 der Darmstädter Fernseh GmbH. Im August 1951 führte die Firma RCA zwei Wochen lang amerikanisches Fernsehen in West-Berlin vor. Gesendet wurde live aus temporären Studios. Im Oktober richtete der NWDR einen Fernsehsender an der Spree ein; er organisierte außerdem TV-Programme auf der Berliner Industrieausstellung.

Hier konnten die Besucher schon eine Anzahl Fernsehempfänger bestaunen. Diese liefen auch in Gelsenkirchen, das im März 1952 ein grenzüberschreitendes Fernsehen erlebte. Ein Radiohändler montierte auf dem höchsten Gebäude der Stadt, dem Hans-Sachs-Haus, eine Richtantenne und empfing TV-Wellen aus den nahen Niederlanden– dort begann das Fernsehzeitalter bereits 1951. Das ist ein Zeitungsartikel dazu, hier geht es zu einem Video des Sendeturms. Eine kritische Sicht der US-Television enthielt im Herbst 1952 das Buch „Die Zukunft hat schon begonnen“ von Robert Jungk. Die englische Fassung ist online.

Kamera des Fernsehzentrums Berlin (Foto Bundesarchiv, Bild 183-17697-0002 / CC-BY-SA 3.0 seitlich beschnitten)

Welcher Sender eröffnete nun die Fernseh-Ära im Nachkriegsdeutschland? Wir lassen dem Fernsehzentrum in Adlershof den Vortritt, das am 21. Dezember 1952 das erste „offizielle Versuchsprogramm“ ausstrahlte. Erhalten ist ein teilweise stummer Ausschnitt mit der Ansagerin Margit Schaumäker und ihren Kollegen. Am 25. Dezember folgte der NWDR mit gleich drei parallelen Programmen. Der Hauptteil kam aus Hamburg; die Zweigstellen Köln und Berlin gestalteten eigene Beiträge, denn die Richtfunkstrecken zwischen den Sendern waren noch nicht fertig. Das sind einige Informationen zum Kölner Fernsehabend.

Von der NWDR-Premiere überlebte ein Film mit dem Intendanten Werner Pleister. Vom live gesendeten Prime-Time-Programm Stille Nacht, heilige Nacht haben wir nur wenige Fotos. Wir wissen aber, dass es knapp 25 Minuten dauerte und die Entstehung des gleichnamigen Weihnachtslieds behandelte. Doppelt so lang war der zweite Programmpunkt, das Tanzspiel „Max und Moritz“ nach der Bildergeschichte von Wilhelm Busch. Die Schlusswort sprach die junge Schauspielerin Irene Koss, die erste bundesdeutsche Fernseh-Ansagerin.

Hinter die Kulissen schaute die anschließende TV-Kritik des SPIEGEL, die auch einen Blick in die Fernsehzukunft warf. Irene Koss treffen wir noch in einem Bericht von 1960 aus der Retro-Mediathek; ein ähnliches Video liegt aus dem Jahr 1964 mit Margit Schaumäker vor. Schließen möchte wir mit der sechs Strophen langen und mit einer Gitarre begleiteten Urfassung von „Stille Nacht, heilige Nacht“. Wir wünschen unseren Lesern und Leserinnen alles Gute zum Fest und melden uns danach mit einem neuen Blogbeitrag zurück.

Live-Produktion des NWDR-Studios Köln im Jahr 1953. Erkennen Sie, welches berühmte Kinderbuch auf den Bildschirm kommt? (Foto Bundesarchiv, B 145 Bild-F001104-0008 / Brodde / CC-BY-SA 3.0 oben beschnitten)

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