Happy Birthday, Intel 4004!

Geschrieben am 12.11.2021 von

“Eine neue Ära der integrierten Elektronik hat begonnen.“ Das sagte eine Anzeige der Firma Intel, die vor fünfzig Jahren erschien. Sie beschrieb den Intel 4004, den ersten serienmäßig produzierten Mikroprozessor der Welt. Der 15. November 1971 gilt seitdem als Start eines neuen Zeitalters. Der Hersteller gab aber schon sieben Monate vorher den revolutionären Mikrochip bekannt. 

Er war nicht der erste, doch der wichtigste. Mit dem Typ 4004 begann 1971 die Reihe der Intel-Mikroprozessoren; sie machten die Firma aus dem kalifonischen Santa Clara zu einem Giganten der Elektronik. Ihr Umsatz im Jahr 2020 von 77,9 Milliarden Dollar übertraf den von IBM. Zweitens schuf der Intel-Chip eine höchst einflussreiche Produktkategorie. Nach der Elektronenröhre, dem Transistor und der integrierten Schaltung war es der Mikroprozessor, der die heutige Computertechnik ermöglichte.

Am Anfang der 4004-Geschichte stand ein Unternehmen in Japan. Die Nippon Calculating Machine Corporation NCM wurde 1945 in Tokio gegründet. Sie baute zuerst mechanische Rechenmaschinen mit Sprossenrädern. In den 1960er-Jahren fertigte sie in der Stadt Osaka elektronische Tischrechner wie den Busicom 161. Busicom war also ein Markenname, später wurde auch der Hersteller so genannt. NCM verkaufte außerdem Computer des Mitsubishi-Konzerns und erstellte für sie Software.

Die Intel-Anzeige vom 15. November 1971 zeigte vier Chips. Rechts steht der Mikroprozessor Intel 4004. (Foto Intel Free Press CC BY 2.0)

1967 schloss sich der 1943 geborene Masatoshi Shima der NCM an. Er hatte einen Abschluss im Fach Chemie, erlernte aber schnell die Grundlagen der Computertechnik. Am Jahresende saß er in Osaka und in einem Team, das eine Rechenmaschine mit integrierten Schaltungen entwickelte. Ein Jahr später begann Shima mit dem Entwurf eines neuen Tischrechners; dabei griff er auf Prinzipien der Computerarchitektur zurück. Es war klar, dass die Japaner die nötigen Chips nur in den USA in Auftrag geben konnten.

Im Frühjahr 1969 flogen Masatoshi Shima und zwei Kollegen nach Kalifornien und besuchten die junge Firma Intel. Sie hatte sich einen Namen mit Speicherchips gemacht. Shima hoffte, dass sie ebenso die Schaltkreise für den neuen Tischrechner in Silizium umsetzen könnte. Er blieb bis Dezember in Santa Clara und erarbeitete zusammen mit den Intel-Ingenieuren Ted Hoff und Stan Mazor die Details. Dabei verwandelte sich Shimas ursprünglicher Plan für die Rechner-Elektronik in das Konzept eines vielseitig einsetzbaren Vier-Bit-Prozessors.

Der Intel 4004 in weißer Keramik. (Foto Thomas Nguyen CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)

Im September 1969 segnete die Spitze von NCM den neuen Ansatz ab. Im Februar 1970 unterschrieben Intel-Chef Robert Noyce und NCM-Direktor Yoshio Kojima einen Vertrag für die Chip-Produktion. Als Masatoshi Shima zwei Monate später den Fortschritt des Projekts begutachtete, stellte er fest, dass so gut wie nichts passiert war. Ted Hoff und Stan Mazor widmeten sich andere Aufgaben. Entwurf und Fertigung der Busicom-Chips betreute der 28 Jahre alte Physiker Federico Faggin, der eine Woche vorher in die Firma eingetreten war.

Shima fiel aus allen Wolken, als er das hörte. Nachdem er sich vom Schock erholt hatte, half er seinem Kollegen nach Kräften. Für den Busicom-Rechner erstellte Faggin vier Chips. Der 4001 war ein Nur-Lese-Speicher für 2.048 Bit, der 4002 nahm achtzig Datenworte mit je vier Bit auf, und der 4003 diente als Schieberegister mit zehn Bit. Chip 4004 war der eigentliche Mikroprozessor; er operierte mit Vier-Bit-Daten und vereinte auf 14 Quadratmillimetern 2.250 Transistoren. Das Quartett erhielt den Namen Micro-Computer Set-4 oder MCS-4.

Tischrechner Busicom 141-PF (Foto Marcin Wichary CC BY 2.0 seitlich beschnitten)

Die ersten drei Chips lagen bis Jahresende vor; im Januar 1971 lief auch der Mikroprozessor. Federico Faggin entdeckte dann noch versteckte Fehler, deren Beseitigung Zeit benötigte. Im August 1971 startete aber die Serienproduktion. Im Oktober kam der mit dem MCS-4-Satz ausgestattete Tischrechner Busicom 141-PF heraus; er kostete in Japan umgerechnet 1.600 DM. In den USA bot ihn die Firma NCR unter dem Namen 18-36 an. Schon im Mai 1971 erwarb Intel von der Nippon Calculating Machine Corporation das Recht, die Busicom-Chips an Dritte verkaufen zu können.

Am 15. November 1971 brachte die Wochenzeitung Electronic News eine Anzeige mit der Überschrift „Eine neue Ära der integrierten Elektronik hat begonnen“. Sie warb für die neuen Intel-Chips; seitdem wird der Geburtstag des Intel 4004 im Herbst gefeiert. Allerdings wurde seine Existenz Monate vor der Anzeige enthüllt. Das Magazin Electronics erwähnte die Chips am 26. April 1971, siehe PDF-Seite 27. Das Wortspiel im Titel geht in der Übersetzung leider verloren: „Intel schneidet ein Stück aus dem Prozesskontroll-Kuchen heraus“.

Federico Faggin vor dem vergrößerten 4004-Entwurf. Rechts unten in der Ecke stehen um 90 Grad gedreht seine Initialen FF. (Foto Intel Free Press CC BY-SA 2.0 seitlich beschnitten)

Auch Federico Faggin verkündete seinen Mikroprozessor schon vor den „Electronic News“. Im Spätsommer 1971 hielt er einen Vortrag in Paderborn, wie hier gegen Ende des Textes geschildert. Wir übersetzen noch einmal: „Das schlimmste Treffen war bei Nixdorf, wo man uns beinahe wegen der schlechten Architektur unserer Systeme auslachte. Die Kritik war teilweise berechtigt, doch die Feindschaft ließ sich nur durch die heraufziehende Einsicht erklären, dass die Halbleiter-Burschen immer stärker werden würden. Und wir wissen, wer dreißig Jahre später überlebte.“

Natürlich die semiconductor guys. Faggin brachte zwei weitere Mikroprozessoren heraus, den Intel 8008 und den Intel 8080. Ende 1974 gründete er die Firma Zilog, Hersteller des populären Z80. Intel löschte den Physiker daraufhin in der Unternehmensgeschichte, im 21. Jahrhundert vertrug man sich aber wieder. Am 1. Dezember wird Federico Faggin achtzig, auch Ted Hoff, Stan Mazor und Masatoshi Shima gibt es noch. Ihr Micro-Computer Set-4 mit dem Chip Intel 4004 schuf aber vor fünfzig Jahren die Technikwelt, wie wir sie kennen.

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