Zu Ehren von Professor Thürmer

Geschrieben am 01.03.2021 von

1984 übergab der Berliner Architekt und Hochschullehrer Ludwig Thürmer an Heinz Nixdorf das Konzept einer Computerausstellung. Nixdorfs Tod verhinderte die Realisierung. Von 1993 bis 1996 war Thürmer aber der Chefdesigner beim Umbau der Nixdorf-Zentrale zum Heinz Nixdorf MuseumsForum. Zuvor gestaltete er zahlreiche Ausstellungen in Deutschland und den USA. Im April 2021 starb er im Alter von 90 Jahren.

Geboren wurde Ludwig Thürmer am 1. März 1931 in Leipzig. Der Vater war Kaufmann, die Mutter Fremdsprachensekretärin. Er besuchte die Petrischule, ein traditionsreiches Realgymnasium. Für die Universitätszulassung musste Thürmer ein Jahr in einem Werk für Maschinenbau arbeiten. Ab 1950 studierte er an der Hochschule für Angewandte Kunst in Ost-Berlin. 1952 wechselte er – die Berliner Mauer stand noch nicht – in den Westen und an die Hochschule für Bildende Künste in Charlottenburg.

Schon 1957 wirkte er bei Ausstellungen zur Interbau mit. Diese Mega-Schau brachte Berlin das Hansa-Viertel und die Kongresshalle. 1959 war Ludwig Thürmer Meisterschüler. Ein Jahr später eröffnete in der erwähnten Kongresshalle die von ihm gestaltete Ausstellung „Die Vergangenheit mahnt“. Sie behandelte die Judenverfolgung der Nazis, ging aber auch auf NS-belastete Politiker der Adenauer-Regierung ein. Die kritischen Passagen wurden sofort vom SPD-geführten Berliner Senat zensiert, vermutlich im Hinblick auf die internationale Politik und die damals schwelende Berlin-Krise.

Ludwig Thürmer zu Beginn seiner Laufbahn

In der Folgezeit war Ludwig Thürmer in den USA tätig. Im New Yorker Büro des deutsch-amerikanischen Designers Will Burtin arbeitete er an Projekten für die IBM und die große Pharmaziefirma Upjohn. Er wurde dann zum Berlin-Spezialisten und warb für die Stadt in Amerika und Europa. Er stattete die Berlin-Pavillons der Weltausstellungen von Seattle und New York aus, schuf aber auch für die SPD ein pneumatisches Kugelhaus. Die „Brandt-Blase“, wie es die Presse nannte, enthielt eine Schau zum 100. Geburtstag der Partei.

1970 wurde Ludwig Thürmer als Professor für Ausstellungsgestaltung an die Hochschule in Charlottenburg berufen. Daneben setzte er seine Entwurfstätigkeit für öffentliche und private Auftraggeber fort. In den 1980er-Jahren kam er eher zufällig in Paderborn mit Heinz Nixdorf in Kontakt. Der Industrielle erwarb 1983 zwei Sammlungen historischer Schreib- und Rechenmaschinen und überlegte, ein Firmenmuseum anzulegen. 1984 erstellten Ludwig Thürmer und sein Assistent Gerhard Diel dazu eine Projektstudie. Der Tod von Heinz Nixdorf im Jahr 1986 machte die weitere Planung zunichte.

1990 ging die Nixdorf Computer AG in der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG auf; die Paderborner Firmenzentrale wurde geschlossen. Der Nixdorf-Veteran Willi Lenz hielt die Museumsidee aufrecht. In den 1990er-Jahren erfolgte unter der Trägerschaft der Stiftung Westfalen die Umwandlung des leerstehenden Gebäudes in ein Museum für Schreib-, Rechen- und Datentechnik.  Dazu musste das Haus umgebaut, Ausstellungsetagen geschaffen und mit Exponaten gefüllt werden. Von Anfang an war klar, dass Ludwig Thürmer dabei mitwirkte.

Zwei Jahrzehnte später im Berliner Büro

Es bildeten sich drei Projektgruppen. In Paderborn sammelte ein technikhistorisches Team die Ausstellungsobjekte und erarbeitete die zugehörigen Texte, Bilder und Filme. Es wurde von hundert Fachleuten aus der ganzen Welt unterstützt. In Berlin koordinierte Ludwig Thürmer Architekten, Grafiker, Designer und Medienspezialisten für die Ausstellung. Sein Kollege Gerhard Diel – seit 1993 gleichfalls Professor in Charlottenburg – war für die konstruktiv-architektonische Seite des Museumsbaus zuständig.

Mitte 1993 begannen die Aktivitäten an der Paderborner Fürstenallee. Am 24. Oktober 1996 eröffnete Bundeskanzler Helmut Kohl das Heinz Nixdorf MuseumsForum. Im gleichen Jahr beendete Ludwig Thürmer die aktive Lehre an der Hochschule der Künste Berlin. Er war aber weiter als Gutachter und Planer im Ausstellungsbereich tätig. So zählte er zu den Gestaltern des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, das 1999 von Kanzler Gerhard Schröder eingeweiht wurde. Im Jahr 2000 erhielt Ludwig Thürmer das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

2001 gestaltete sein Berliner Büro die große HNF-Sonderausstellung Computer.Gehirn. Sein Sohn Tilman ist ihm im Beruf gefolgt und betreibt eine erfolgreiche Ausstellungsfirma in China.

Mit dem Tod von Ludwig Thürmer verliert das HNF einen seiner wichtigsten Wegbereiter, dessen Ideen und Konzepte das Museum bis heute prägen und in der Gestaltung des HNF weiterleben werden.

Die Fotos stammen, wenn nicht anders vermerkt, vom Büro Thürmer, dem wir sehr für die Hilfe danken. Es folgen nun noch Bilder zu weiteren Lebensstationen von Ludwig Thürmer.

Ludwig Thürmer 1962 vor seinem aufblasbaren Kugelhaus

Im gleichen Jahr mit Willy Brandt und Prinz Philip bei der Eröffnung einer Berlin-Ausstellung in London

Ludwig Thürmer mit dem österreichisch-amerikanischen Architekten Richard Neutra, wohl aufgenommen bei Neutras Deutschland-Besuch 1970. Er starb am 16. April in Wuppertal.

Der junge Professor um 1970. Rechts Klaus Schütz, der Berliner Regierende Bürgermeister

Mal fröhlich, mal nachdenklich – ein Doppelporträt.

1994 vor dem noch unfertigen HNF, mit dem Geschäftsführer Norbert Ryska (l.) und dem HNF-Hauspoeten Hans Magnus Enzensberger (Foto Jan Braun/HNF)

Bei der Eröffnung des HNF 1996 mit einem zufriedenen Bundeskanzler Helmut Kohl (Foto Jan Braun/HNF)

Noch ein Foto von der Eröffnung mit Professor Gerhard Diel (links) und Willi Lenz (Foto Jan Braun/HNF)

Ludwig Thürmer mit dem Philosophen Joseph Weizenbaum und HNF-Geschäftsführer Dr. Kurt Beiersdörfer. Unter Glas ist der Nachbau der Rechenmaschine von Johann Helfrich Müller. (Foto Jan Braun/HNF)

Bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes im Jahr 2000. Rechts steht der Historiker Hermann Schäfer und in der Mitte Ludwig Thürmers Frau Barbara Thürmer.

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