Im Banne des Rechenaffens

Geschrieben am 14.08.2020 von

1915 erschien in den USA ein Blechspielzeug: Consul, der kluge Affe. Es basierte auf einer Multiplikationstafel für die Zahlen von 1 bis 12. Ein ähnliches Gerät bot vorher die Firma Soennecken an. Consul ist noch im Handel; er ist der letzte mechanische Rechenapparat. Sein Name geht auf Schimpansen zurück, die vor 1914 in Tiershows auftraten.     

Früher hieß ein Elefant Jumbo, ein Reh Bambi und ein Hund Bello. Vor hundert Jahren und mehr gab es auch einen typischen Namen für Affen, und der war Consul. 1915 kam in den USA ein Rechengerät mit einem blechernen Schimpansen heraus. Er trug Anzug und Fliege wie ein Mensch, und dreimal darf man raten, wie das Gerät genannt wurde.

„Consul“, the Educated Monkey war ein Produkt der Educational Novelty Company aus Dayton im US-Bundesstaat Ohio. “Educated” bedeutet gebildet oder klug, eine “Educational Novelty” ist eine Neuheit, mit der man etwas lernt. Der Leiter der Firma, William Robertson, hatte Consul erfunden und zwei Patente angemeldet. Robertson war Jahrgang 1877, stammte aus Texas und arbeitete im Hauptberuf für den großen Registrierkassenhersteller NCR; zuvor war er Lehrer gewesen.

Einen Original-Consul erkennt man an der eckigen Grundplatte mit dem schmalem Rand. (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution)

Consul maß 14 mal 15 Zentimeter und bestand aus buntem Blech. Auf der Grundplatte saß unten eine Schiene, an der ein Gestänge befestigt war. Die Einzelteile fügten sich zu einem bekleideten Affen zusammen, wie im Foto oben zu sehen. An seinen Füßen zeigen zwei Pfeile nach unten auf eine Skala. Sie reicht von 1 bis 12; neben der 12 steht noch ein kleines Quadrat. Oberhalb der Skala trägt die Grundplatte ein Zahlenfeld. Die Hände des Affen verweisen jeweils auf eine Zahl des Feldes.

Das Ganze ist die Umsetzung einer Multiplikationstafel. Auf der Skala stellt man die beiden Faktoren ein, der Affe zeigt das Produkt an. Bei gleichen Faktoren, also beim Bilden einer Quadratzahl, setzt man den linken Pfeil auf die Ausgangszahl und den rechten aufs Quadrat. Wer einen geeigneten Browser hat, kann den Vorgang hier nachspielen. Dieses Video verrät, wie die Mechanik funktioniert. Der Schimpanse ließ sich umprogrammieren: Schob man eine andere Zahlentafel auf die Grundplatte, so konnte er auch addieren.

Grafik aus dem US-Patent 1.188.490 von William Robertson. Die Mechanik hat vier Gelenke D, J, K und L. Die Gelenke D und L sind über eine Schiene verbunden.

Die Educational Novelty Company hatte nicht lange Bestand; spätestens 1917 verschwand sie. Die Fertigung von Consul übernahm ein anderes Unternehmen; sein Erfinder hatte noch den Job bei der NCR. Später wechselte William Robertson zu einer Flugzeugfirma; er starb 1973. Schon 1917 kopierte der Engländer Charles Allaun Robertsons Rechengerät und brachte es als Jacko heraus. Bei uns erschienen wohl in den 1930er-Jahren der kluge Elefant Jumbo und Der kleine Rechenkünstler; sie nutzten eine ähnliche Technik wie Consul.

Nach 1945 wurde Consul mit unterschiedlichen Formen und Namen neu aufgelegt. Der Rechenmaschinensammler Wilfried Denz schildert, dass die Grundidee aus Deutschland stammte. 1890 erhielt Friedrich Soennecken ein Patent für eine „Rechenvorrichtung zum Vervielfachen und Theilen“. Soennecken fertigte Büroartikel in Poppelsdorf bei Bonn. Seine Vorrichtung erhielt weitere Skalen für Additionen und Subtraktionen und kam als „Der kleine Rechner“ in Umlauf. Es gab auch eine französische Version Eureka.

„Der kleine Rechner“ der Firma Soennecken aus den 1890er-Jahren konnte auch dividieren. (Foto Rechnen ohne Strom)

Zum Schluss möchten wir auf die echten Consuln eingehen, von denen es mehrere gab. In den 1890er-Jahren lebte ein Schimpanse dieses Namens im Zoo von Manchester. Er rauchte Pfeife, trug ein gestreiftes Jackett und eine ebensolche Kappe. Nach seinem Tode wurde Consul II sein Nachfolger. Ein weiterer Consul reiste 1904 mit einem Zirkus durch Europa. Er lief aufrecht, fuhr ein Dreirad und machte Kunststücke. Er wurde sogar wissenschaftlich untersucht, der betreffende Forscher verneinte allerdings jede Rechenfähigkeit.

Ein paar Jahre später erregte ein Schimpanse Aufsehen, der Konsul Peter genannt wurde. 1909 nahm ihn sein Besitzer mit nach Amerika; auf dem Schiff entstand ein Film „Consul Crosses the Atlantic“. Der Affe starb 1910 in den USA.  Zu Lebzeiten trat er unter anderem in Prag auf, wo ihn vielleicht der Schriftsteller Franz Kafka sah. Sein 1917 erschienenes Prosastück Ein Bericht für eine Akademie behandelt den intelligenten Schimpansen Rotpeter. Auch der Philosoph Theodor W. Adorno erwähnte Peter in einer seinen Schriften.

Konsul Peter kommt. 1909 fuhr der kluge Schimpanse in die Vereinigten Staaten.

Im 21. Jahrhundert stecken wir Schimpansen nicht mehr in Anzüge; manche entwickelten ein gutes Verständnis für Zahlen. Das Spielzeug mit dem bekleideten Consul gibt es aber noch immer. Wer mit „educated monkey“ googelt, findet viele Angebote im Internet. Der kluge Affe dürfte eins der letzten mechanischen Rechengeräte sein, das im Handel ist. Bei Wilfried Denz bedanken wir uns für die Erlaubnis, das Foto von der Website Rechnen ohne Strom verwenden zu können.

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Ein Kommentar auf “Im Banne des Rechenaffens”

  1. Spektakulär ist der Affe in Japan, der sich die Position von Zahlen auf einem Monitor merken kann. Die einzelnen Zahlen leuchten nur für Millisekunden auf. Ein Mensch hat gegen den Affen keine Chance.

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