70 Jahre Lotto

Geschrieben am 10.01.2023 von

59, 15, 78, 27, 87 – das waren die Zahlen der ersten deutschen Lottorunde in neuerer Zeit. Sie wurden am 11. Januar 1953 in Berlin gezogen. Ankreuzen konnte man sie auf neunzig Feldern; es gab vier Gewinner mit je vier Richtigen. Aus dem Spiel 5 aus 90 entwickelte sich das vertraute System 6 aus 49.

Glücksspiele mit Würfeln gab es in der Antike, Lotterien erst im 15. Jahrhundert in Holland. Ein Grund dafür war, dass man für die Produktion der Lose die neue Druckkunst von Johannes Gutenberg benötigte. Das erste Zahlenlotto – es soll unser Thema sein – fand 1643 in Italien statt; lange hielt sich die Bezeichnung Lotto di Genova nach der Stadt Genua. In Österreich wurde 1751 Lotto gespielt, im Königreich Preußen ab 1763. Es galt das System 5 aus 90, die ersten Gewinnzahlen lauteten 35, 43, 74, 13 und 22.

Anno 1810 endete das preußische Zahlenlotto wieder, die Bayern durften noch bis 1861 ihr Glück versuchen. Erlaubt blieb im Deutschen Reich die Klassenlotterie. Die Rückkehr des Lottoscheins erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg. Den Anfang machte West-Berlin; das nötige Gesetz wurde am 28. Juli 1952 verkündet. Dahinter stand wie so oft der Wunsch, an das Geld der Bürger und Bürgerinnen zu kommen. Nur die Hälfte der Einsätze erhielten die Spieler als Gewinn, rund ein Drittel ging direkt oder über die Lotteriesteuer an die Stadt.

Seit 1956 sitzt die Berliner Lotto-Zentrale nahe dem Kurfürstendamm und dem heutigen Adenauerplatz. (Foto Uwe Friedrich CC BY-SA 3.0 unten beschnitten)

Die erste Lottorunde der Deutschen Klassenlotterie Berlin DKLB erfolgte am 11. Januar 1953. Rund 300.000 Scheine wurden nach dem System 5 aus 90 ausgefüllt; der Mindesteinsatz betrug fünfzig Pfennige, Gewinne brachten schon zwei Richtige. Drei Waisenkinder zogen in der DKLB-Zentrale die Kugeln mit 59, 15, 78, 27 und 87 aus der Trommel. Ein Tipp mit fünf Treffern fehlte, doch vier Teilnehmer hatten vier der Zahlen erraten. Der Ertrag belief sich jeweils auf 10.822 DM, was damals eine schöne Stange Geld war. In der dritten Spielwoche registrierte die DKLB schon eine halbe Million Wetten.

Noch vor Jahresende startete im Osten der Stadt das zweite deutsche Zahlenlotto, die Berliner Bären-Lotterie. Dabei musste man ebenfalls fünf Zahlen aus neunzig ankreuzen. Oberbürgermeister Friedrich Ebert schaute in der Werner-Seelenbinder-Halle zu, als die Zahlen 72, 4, 78, 25 und 74 bestimmt wurden. Ein glücklicher Gewinner mit vier Richtigen erntete 36.373 Mark und 40 Pfennige. Ab dem 14. März 1954 konnten sich alle DDR-Bürger am Spiel beteiligen. Drei Jahre später übertrug das ostdeutsche Fernsehen die Ziehungen.

Ausgefüllter 6-aus-49-Lottoschein aus dem Jahr 1957  (Foto Fonzie CC BY-SA 4.0)

Ende 1954 entdeckte der SPIEGEL das West-Berliner Lotto. Er zählte 550 Annahmestellen und wusste, dass die DKLB in hundert Spielen 63.366.829 DM umgesetzt hatte. Lottogeld kam unter anderem dem Berliner Zoo zu Gute, der ein Nashorn und ein Leopardenpärchen anschaffte. Auch die Wochenschau berichtete. Der Sprecher fürchtete den Untergang des Abendlandes und klagte: „Lebensangst und Mangel an Lebensinhalt treiben die Menschen zur Jagd nach dem vermeintlichen Glück.“ Immerhin erhaschen wir einen kurzen Blick auf die Zahlentrommel und auf einen Lottoschein.

Der SPIEGEL und die Wochenschau deuteten eine Übernahme des Berliner Glücksspiels durch andere Bundesländer an, und so geschah es. Am 9. Oktober 1955 starteten Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein das Lotto mit dem System 6 aus 49. Die erste Ziehung fand in einem Hamburger Hotel statt und lieferte die Zahlen 13, 41, 3, 23, 12 und 16. Nach und nach kamen die übrigen Länder hinzu, als letztes Baden-Württemberg im April 1958. Im Oktober 1959 beendete Berlin das Lotto di Genova mit einem Gesamtumsatz von einer Milliarde DM und schloss sich dem Deutschen Lottoblock an.

Ehemalige Fernseh-Lottokugel in Frankfurt (Foto Emkaer CC BY-SA 3.0 seitlich beschnitten)

Das gibt uns Gelegenheit, auf die Mathematik einzugehen. Hinter der Einführung des Spiels 6 aus 49 steckte auch die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit eines Haupttreffers größer ist als bei 5 auf 90. Sie entspricht dem Kehrwert des Binomialkoeffizienten „49 über 6“ und liegt bei 1/14.000.000. Der Kehrwert von „90 über 5“ beträgt nur etwa 1/44.000.000. Dem einzelnen Lotto-Fan bringt das wenig, doch angesichts von Millionen Spielern kam es nun immer wieder zu Presseartikeln über Gewinner mit sechs Richtigen. Die ersten drei wurden am 13. November 1955 ermittelt.

Ab dem 4. September 1965 erschien die Ziehung der Lottozahlen im Fernsehen; das ist eine Folge von 1980 mit „Lottofee“ Karin Tietze-Ludwig. Dieser Film zeigt, wie die Nummern in den Jahren zuvor bestimmt wurden, hier geht es zu den Lotto-Kuriositäten. Einst gezogene Gewinnzahlen wandern, wie es sich gehört, ins Archiv, zukünftige Treffer prophezeit der Lottozahlengenerator. Für die Richtigkeit übernehmen wir aber keine Gewähr.

Seit mehr als 270 Jahren gibt es diese Lotto-Annahmestelle in Wien. In Österreich kann man auch noch das System 5 aus 90 spielen.

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2 Kommentare auf “70 Jahre Lotto”

  1. Es wäre mal interessant zu erfahren, wie man auf die Konstruktion der Lotto-Kugel gekommen ist. Welche anderen „Mischer“ hat man noch studiert ? Im 2-Dimensionalen gibt es ja noch die bei der Bundewehr in den 1950ger Jahren eingesetzte „Violine“, mit der Zufallszahlenfolgen in 5er-Gruppen für die Übermittlung kurzer verschlüsselter Nachrichten erzeugt wurden. Zeitzeugen berichteten, daß die Violine meist von den Vorzimmerdamen der Bundeswehr-Generäle in Gang gesetzt wurde.

  2. Ein interessantes und überraschendes Thema hier für den Blog. Aber schaut man sich das letzte Foto an, fällt einem doch der Computer auf. Bei dem Lotto Computer (oder dem Computer Lotto) wurde hier scheinbar Werbung mit einer Zukunftsmaschine und dem Rechenwunder Computer gemacht.

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