Auf den Spuren der Hacker

Geschrieben am 24.02.2023 von

Einer der neuen Bereiche, die das HNF im März eröffnet, behandelt die Hacker. Bei uns trafen sie sich vor allem im Chaos Computer Club. Einige Hacker fanden kreative Nutzungen von Computern, andere durchstöberten Datennetze, manche zog es ins Spielcasino. Die HNF-Abteilung zeigt auch das Phreaking am Telefon. Im Folgenden beleuchten wir die Geschichte der Hackertums.

Der SPIEGEL entdeckte sie vor vierzig Jahren, am 22. Mai 1983: „Die Hacker … sind zumeist Teenager und Twens, überwiegend männlichen Geschlechts. Sie betreiben ihr Hobby in den katakombengleichen Fluchten von Universitäts-Rechenzentren oder verkriechen sich, wenn der Monatsscheck für einen der Zauberkästen ausreicht, mit einem Heimcomputer in der Studentenbude. Von Diskos, Clubs und anderen sozialen Treffpunkten auf dem Campus halten sie sich fern – einsame Gefangene der Elektronik.“

Für die elektronischen Gefangenen wurde es höchste Zeit, denn wenige Tage vorher erlebte der Film WarGames seine Premiere auf dem Festival von Cannes. Im Oktober kam er in die bundesdeutschen Kinos. Danach wusste jeder, der sich für Computer interessierte, was ein Hacker war und womit er sich die Zeit vertrieb. Die so bezeichneten jungen Männer drangen an einem Großrechner oder mit einem Mikrocomputer und einem Telefon in Datennetze ein. Das konnte aus purer Neugier geschehen oder um im Netz schlimme Sachen anzustellen.

Schon 1981 startete in Berlin der Chaos Computer Club, der dann in Hamburg aktiv wurde; 1983 kannte ihn aber kaum jemand. Die Geburtsort der amerikanischen Hacker war das Massachusetts Institute of Technology in Cambridge bei Boston. Man kann sich streiten, ob ihre Aktivitäten 1946 im Modelleisenbahnclub begannen, 1959 am Transistorrechner TX-0 oder 1961 am Minicomputer PDP-1. Die erste Großtat der MIT-Hacker war 1962 das Videospiel SpaceWar!. Im HNF können die Besucher es ebenfalls ausprobieren.

Die Flöte zu den Frühstücksflocken der Marke Cap’n Crunch erzeugte einen Ton von 2.600 Hertz. Er schaltete im amerikanischen Telefonnetz den Gebührenzähler ab.

In den 1960er-Jahren verbreiteten sich die Minis in den Hochschulen der USA, und immer mehr junge Leute widmeten sich dem Programmieren. Ende 1972 brachte die Monatszeitung „Rolling Stone“ einen Artikel des Publizisten Stewart Brand, in dem „Hackers“ auftraten. Im März 1976 erschien in der deutschen Zeitschrift „Psyche“ ein Beitrag des Informatikers Joseph Weizenbaum, „Die Naturwissenschaft und der zwanghafte Programmierer“. Er fand den Weg in sein Buch „Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“, und wir möchten daraus eine Passage zitieren:

„Überall, wo man Rechenzentren eingerichtet hat, … kann man aufgeweckte junge Männer mit zerzaustem Haar beobachten, die oft mit tief eingesunkenen, brennenden Augen vor dem Bedienpult sitzen; ihre Arme sind angewinkelt, und sie warten nur darauf, daß ihre Finger – zum Losschlagen bereit – auf die Knöpfe und Tasten zuschießen können, auf die sie genauso gebannt starren wie ein Spieler auf die rollenden Würfel. Nicht ganz so erstarrt, sitzen sie oft an Tischen, die mit Computerausdrucken übersät sind, und brüten darüber wie Gelehrte, die von kabbalistischen Schriften besessen sind.“

Ab 1975 konnten die Hacker die neuen Mikrocomputer anstarren; in den späten Siebzigern gingen sie in die Datennetze und erkundeten fremde Rechner und Speicher. Die Achtziger waren die goldene Ära des Hackertums. Im November 1984 erwarb sich der Chaos Computer Club bleibenden Ruhm durch den Btx-Hack. Danach gelang anderen Datenpiraten der NASA-Hack und der KGB-Hack; letzterer wurde auch verfilmt. In den 1990er-Jahren reduzierte sich das öffentliche Interesse an Hacker-Abenteuern. Ein Grund mag das World Wide Web gewesen sein, das die globalen Netze den Computerlaien öffnete.

Die Blue Box des Telefon-Phreaks Gregory MacNicol

Die Hacker stehen im Mittelpunkt eines neuen HNF-Bereichs, der am 24. März eröffnet wird. Ein wichtiges Exponat ist – siehe das Eingangsbild oben – das vom Chaos Computer Club entwickelte Datenklo. Es verband den heimischen Computer mit dem Telefonnetz und den darin fließenden Datenströmen. Das Telefon liebten auch die Phreaks in den USA. Sie überlisteten den Gebührenzähler mit einer 2600-Hertz-Flöte oder einer Blue Box, die Töne erzeugte. Den Ur-Phreak John Draper trafen wir schon im Blog; er feiert am 11. März seinen 80. Geburtstag. In der neuen HNF-Abteilung lassen sich seine Aktionen nachspielen.

Ein anderer Telefonhacker war Steve Wozniak. Ihn brachte ein Artikel des Magazins Esquire im Oktober 1971 auf die Konstruktion einer digitalen Blue Box. Zusammen mit seinem Freund Steve Jobs konnte er eine gewisse Anzahl verkaufen. In seinen Memoiren beschrieb er, wie er 1972 Papst Paul VI. anrief, der aber im Bett lag und schlief. Wozniak fand dann einen regulären Job in der Firma Hewlett-Packard. Später wurde er zu einem exzellenten Hardware-Hacker und schuf die Mikrocomputer Apple I und Apple II. Der Rest ist Geschichte.

Die HNF-Abteilung erwähnt auch „böse“ Hacker. Sie setzten digitale Viren und Würmer frei, die im befallenen Computer Daten zerstörten. Der Casino-Virus von 1991 erzeugte zum Trost auf dem Monitor einen Spielautomaten. Was uns schließlich zu den Hackern bringt, die mit elektronischer Hilfe am Roulettetisch oder mit Spielkarten gewinnen wollten. Das HNF zeigt dazu einen amerikanischen Schuhcomputer – wir besprachen ihn in unserem Blog – sowie die „Maschine 1“ im Foto unten. Sie half vor fünfzig Jahren Bonner Studenten beim Blackjack in einem französischen Casino. Heute sind solche Glücksbringer allerdings verboten.

 

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