Christiane Floyd – sie war die Erste

Geschrieben am 25.04.2023 von

Am 26. April wird Christiane Floyd 80 Jahre alt. In Wien geboren, studierte sie Mathematik und promovierte darin. Sie arbeitete bei Siemens und in der Firma Softlab, außerdem lehrte sie in der Stanford-Universität. 1978 ging sie zur TU Berlin; damit war sie die erste Informatik-Professorin in Deutschland. Von 1991 bis 2008 unterrichtete sie in Hamburg.

„Es fing damit an, daß ich als Kind auffällig gut rechnen konnte und meine Familie meine mathematischen Fähigkeiten bei weitem überschätzte.“ So schilderte Christiane Floyd den Beginn ihrer Karriere in einem autobiografischen Text. Zur Welt kam sie als Christiane Riedl am 26. April 1943 in Wien. Dort absolvierte sie das Gymnasium und studierte Mathematik in einem Zug bis zur Promotion. Ein Jahr verbrachte sie an der Universität München; durch einen Ferienjob bei der Siemens AG erlernte sie das Programmieren.

Ein anderer Ferienjob bei IBM in Wien vermittelte ihr eher negative Erfahrungen; von der Arbeitsgruppe des Computerpioniers Heinz Zemanek wusste sie nichts. 1966 kehrte sie daher mit dem Doktortitel zu Siemens zurück. Nun saß sie in einem Team, das einen Compiler für den Rechner Siemens 4004 und die Sprache ALGOL 60 schrieb. Lehrbücher gab es noch keine, die nötigen Kenntnisse erwarb Christiane Floyd durch Lektüre des ALGOL-60-Reports und des Source Codes eines in der TU München entwickelten Compilers.

Der Siemens-Compiler wurde dann sieben Jahre lang mit Erfolg eingesetzt. Vor seiner Fertigstellung, im Juni 1968, zog Christiane Floyd nach Kalifornien an die Universität Stanford. Hier befasste sie sich mit dem Expertensystem Dendral, wechselte aber bald in eine Abteilung mit Compiler-Projekten. Am meisten brachte ihr die Lehrtätigkeit, die sich an Studienanfänger richtete. Sie freundete sich auch mit dem kalifornischen Lebensstil an, der Begeisterung für Technik mit Ideen und Praktiken der Gegenkultur verknüpfte.

Von 1973 bis 1977 arbeitete Christiane Floyd erneut in München. Im Softwarehaus Softlab wirkte sie an zwei Projekten mit und leitete später den Bereich Methodenentwicklung und Schulung. Bei ihrem ersten Projekt pendelte sie zwischen Bayern und dem Saarland, wo der zu programmierende Rechner stand, hin und her. Beim zweiten traf sie im Kollegenkreis auf einen heute weitgehend vergessenen Menschenschlag, den Superprogrammierer. So nannte man damals Computerexperten, die jedes Bit des Hauptspeichers im Kopf hatten und mit Gedankenkraft Programme testen konnten.

Bei der Eröffnung der Ada-Lovelace-Ausstellung im Jahr 2015  (Foto Jan Braun/HNF)

1978 erhielt Christiane Floyd die Professur für Softwaretechnik an der TU Berlin; sie war die erste Frau, die an einer deutschen Hochschule eine solche Stelle ausfüllte. Sie übernahm eine Gruppe mit vielen Projekten, die zwei Jahre lang keine wissenschaftliche Führung hatte. Daneben musste sie ohne väterliche Hilfe zwei kleine Kinder großziehen. Sie konzentrierte sich zunächst auf die Lehre, konnte aber Forschungsthemen entwickeln. So entstand etwa STEPS, die Softwaretechnik für evolutionäre partizipative Systemgestaltung.

Christiane Floyd schaute auch über den Tellerrand ins soziale und philosophische Umfeld der Informatik. 1984 war sie Mitgründerin und Vorsitzende des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung. 1987/88 analysierte sie mit einem Stipendium der Volkswagenstiftung die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Softwaretechnik. Es folgte eine Konferenz über Software Development and Reality Construction. Ein wichtiger Gesprächspartner für die Forscherin war der Kybernetiker Heinz von Foerster.

Von 1991 bis zur Emeritierung 2008 lehrte Christiane Floyd Softwaretechnik an der Universität Hamburg. Seit der Jahrtausendwende engagiert sie sich für die Informatik-Ausbildung in Äthiopien. 2012 wurde sie Honorarprofessorin der Technischen Universität Wien, 2017 erhielt sie – siehe Eingangsbild (Foto Universität Paderborn, Laura Speer) – die Ehrendoktorwürde der Uni Paderborn. Schon 2015 gehörte sie zu den Pionierinnen, die das HNF in der großen Ada-Lovelace-Ausstellung feierte. Ein Vortrag von ihr in Berlin Anfang 2023 ist online.

Im Laufe der Zeit war Christiane Floyd zweimal verheiratet, zuerst mit dem amerikanischen Informatiker Robert Floyd (1936-2001) und danach mit seinem dänischen Kollegen Peter Naur (1928-2016). Beide Forscher ernteten den Turing Award, den Nobelpreis der Informatik. Der Forscherin wünschen wir schon jetzt Gesundheit und alles Gute zum 80. Geburtstag und eine weitere erfolgreiche Tätigkeit in der Informatik und ihren Nachbargebieten.

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