Das war Guglielmo Marconi
Geschrieben am 25.04.2024 von HNF
Vor 150 Jahren, am 25. April 1874, kam im italienischen Bologna Guglielmo Marconi zur Welt. Als Forscher, Erfinder und Manager prägte er die Anfänge der Funktechnik. Die von ihm geschaffene englische Firma, die dann seinen Namen trug, zählte zu den Gründern der BBC. 1929 wurde Marconi geadelt; er starb am 20. Juli 1937 in Rom.
„Er kommt aus Italien mit einer kühnen Vision. Er arbeitet mit geheimnisvollen Wellen, will als Erster drahtlos Nachrichten über den Atlantik schicken. Er riskiert alles, damit Schiffe auf hoher See nicht länger ohne Verbindung zur Außenwelt sind…“ So dramatisch und mit der passenden Musik startete 2011 die Folge Das unsichtbare Netz der Fernsehserie „Terra X“.
Ihr Held hieß Guglielmo Marconi. Er wurde am 25. April 1874 in Bologna im Norden Italiens geboren; Vater Giuseppe lebte von seinem Grundbesitz und der Seidenraupenzucht. Mutter Annie kam aus Irland; sie entstammte der Whiskey-Dynastie der Jamesons. Guglielmo ging nur wenige Jahre zur Schule, meist unterrichteten ihn Privatlehrer, später hörte er Physik-Vorlesungen in der örtlichen Universität. Zu jener Zeit wurden die Resultate des Physikers Heinrich Hertz in der akademischen Welt bekannt. In seinem Labor in der TH Karlsruhe erzeugte und empfing er ab 1886 elektrische Wellen.
Hertz starb 1894, doch in den 1890er-Jahren befassten sich der englische Physiker Oliver Lodge, seine russischen Kollegen Pjotr Lebedew und Alexander Popow und in Indien Jagadish Chandra Bose mit seinen Wellen. Auch Augusto Righi, Professor der Universität Bologna, stellte Untersuchungen an; er inspirierte den jungen Marconi. Ende 1894 baute er im elterlichen Haus seine erste Anlage auf. Als Sender diente ein Induktor, der Funken erzeugte. Sie lösten Wellen aus, die ein Kupferblech versendete. Der Empfänger war ein Kohärer oder Fritter, ein mit Metallspänen gefülltes Glasröhrchen.
Während an den Hochschulen das Phänomen aus wissenschaftlichem Interesse erforscht wurde, dachte Guglielmo Marconi von Anbeginn an die Nutzung und die Übertragung von Morse-Signalen. 1895 experimentierte er im Freien und überbrückte Distanzen von mehr als zwei Kilometern. Eine wichtige Rolle spielte die Idee, Sender und Empfänger zu erden. Da sich die italienische Post nicht für seine Erfindung interessierte, zog Marconi im Februar 1896 nach England; hier fanden dann alle weiteren Forschungen statt. Im Juni 1896 meldete er sein System zum Patent an, das er im Juli 1897 erhielt.
Im selben Monat startete er in London die Wireless Telegraph & Signal Company, die wohl erste Firma der Welt zur drahtlosen Kommunikation. Ab 1900 hieß sie Marconi’s Wireless Telegraph Company. Schon 1899 schickte der Italiener Funksignale über den Ärmelkanal. Im Februar 1900 entstand die erste Marconi-Station in Deutschland; sie verknüpfte die Insel Borkum mit dem Feuerschiff „Borkum Riff“. Wenig später erhielt der Passagierdampfer „Kaiser Wilhelm der Große“ eine Anlage. Diese Seite listet die Fortschritte der Technik auf.
Ab 1902 wurden Morsezeichen zuverlässig über den Nordatlantik gesendet. Marconis Firma wuchs und gedieh; 1909 erhielt er zusammen mit dem deutschen Physiker Ferdinand Braun den Nobelpreis. Im Januar 1909 ereignete sich vor der amerikanischen Atlantikküste eine Schiffskollision, nach der zum ersten Mal ein Notsignal gefunkt wurde. Auch die Titanic verfügte 1912 über eine Marconi-Anlage. Die herbeigerufenen Schiffe konnten aber nur noch die Menschen aufnehmen, die nach dem Untergang in den wenigen Rettungsbooten saßen.
Guglielmo Marconi war nicht der Einzige, der um 1900 die Funktechnik erschloss. Der an der TH Charlottenburg lehrende Elektrotechnik-Professor Adolf Slaby konnte im Mai 1897 bei Marconis Versuchen zuschauen. Er sah genau hin, und im Oktober 1897 schickte er Signale über eine Distanz von 21 Kilometern. Im Jahr 1900 sendete Ferdinand Braun sie über 62 Kilometer. 1903 wurde in Berlin die Gesellschaft für drahtlose Telegraphie gegründet, besser bekannt als Telefunken. 1903 und 1906 hielt die Internationale Fernmeldeunion in der Stadt die ersten Funk-Konferenzen ab.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte Marconi nach Italien zurück; er diente in der Armee und danach in der Marine. 1919 nahm er an der Friedenskonferenz von Versailles teil. Seine englische Firma gehörte sowohl zu den Gründern der BBC als auch des italienischen Rundfunks; Marconi richtete ebenso die Radiostation des Vatikans ein. 1929 erhielt er vom italienischen König den Titel eines Marchese. Soweit es die Gesundheit zuließ, befuhr er mit seiner Dampfyacht Elettra die Meere und experimentierte im bordeigenen Labor.
Guglielmo Marconi starb am 20. Juli 1937 in Rom; die Rundfunksender der Welt schwiegen zu seinen Ehren zwei Minuten. Sein Grab befindet sich vor dem Familiensitz, der auch ein Museum beherbergt. Dokumente zu seinem Leben und Werk liegen in der Bodleian Library in Oxford; das dortige Wissenschaftsmuseum besitzt Objekte von ihm und seiner Firma. Sie wurde 1946 von der English Electric Company übernommen; 2006 verschwand sie. Als beste Biographie gilt Marconi: The Man Who Networked the World des Kanadiers Marc Raboy aus dem Jahr 2016. Man kann sie nach Anmeldung im Internet Archive lesen.
Mit Marconis Funkanlagen konnten die ersten Zeitsignale über den Nordatlantik versendet werden. Sie vereinfachten die Längenbestimmung auf hoher See und machten das rechenintensive astronomische Verfahren von Tobias Mayer (Monddistanzen) nach und nach überflüssig.
Rundfunktechnik-Geschichte ist eine Königsdisziplin dieser ihrer Art. Toll ist das Engagement vieler Museen. Erlebbare Technikgeschichte sollte nach wie vor ein Grundbestandteil der Ausbildung von Technikern für Morgen sein und das kostet eben auch ein wenig. Gute Ausbildung ist Investition. Dazu zählt auch die Wahrnehmung räumlicher Dimensionen, wie zum Beispiel die großen vielfältigen Antennenanlagen. Es ist eine Schande für den Hightec-Standort Deutschland, dass z.B. der Förderverein am Funkerberg in Königswusterhausen, von dort wurde vor über 100 Jahren die legendäre erste öffentliche Rundfunksendung gestartet, überhaupt mit existenziellen Sorgen belastet war. Ein großer Sendemast steht bloß noch dort. Ebenso die Sendestelle Burg bei Magdeburg: Hier hätte man die Gelegenheit gehabt, die komplette Sendetechnik eines leistungsstarken Mittelwellensenders zu studieren. Ein Sendemast und ein leeres Gebäude stehen dort heute noch. Nach Angaben des ehemaligen Sendetechnikers, ich habe ihn kürzlich aufgesucht, waren aber finanzielle Mittel für ein … Abrisskommando bereitgestellt worden, die mit Vorschlaghämmern die komplette Sendetechnik zertrümmerten und abtransportierten. Alles unwiederbringliche Güter, die einen kleinen Beitrag für ein nötiges Technikverständnis zukünftiger Spezialisten, die Deutschland so dringend braucht, liefern können.