Das war Uta Merzbach
Geschrieben am 07.02.2023 von HNF
Am 9. Februar 1933 wurde in Berlin Uta Merzbach geboren, eine der ersten Computer-Historikerinnen. Von 1943 bis 1945 lebte ihre Familie im Ghetto Theresienstadt, 1946 emigrierte sie in die USA. Nach dem Mathematik-Studium arbeitete Uta Merzbach 24 Jahre für die Smithsonian Institution. Sie betreute die Sammlung der Rechengeräte und Computer und interviewte auch Konrad Zuse.
Die 1846 gegründete Smithsonian Institution ist der größte Museumsbetreiber der USA, wenn nicht der Welt. Die meisten ihrer Häuser stehen in Washington, die wichtigsten sind an der National Mall aufgereiht. Am 22. Januar 1964 eröffnete dort das Museum für Geschichte und Technik der Smithsonian Institution; es ist oben in unserem Eingangsbild zu sehen. Es beherbergte auch Rechengeräte und Computer; zuständig dafür war eine aus Deutschland stammende Kuratorin.
Uta Merzbach kam am 9. Februar 1933 in Berlin zur Welt. Ihr Vater Ludwig Merzbach war promovierter Volkswirt und leitender Angestellter in einem Industriebetrieb. 1939 arbeitete er in der Finanzabteilung der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland. 1943 wurde er mit Frau und Tochter in das Ghetto Theresienstadt im heutigen Tschechien deportiert. Er wirkte in der Selbstverwaltung des Ghettos mit und entging dem Holocaust. Nach der Befreiung lebten die Merzbachs in einem Lager für Displaced Persons in Deggendorf, 1946 konnten sie in die Vereinigten Staaten emigrieren.
Die Familie ließ sich in Georgetown/Texas nördlich von Austin nieder. An der Southwestern University erhielten Ludwig Merzbach und seine Frau Margarete Dozentenstellen. Ludwig Merzbach brachte es bis zum Chef des Instituts für Volks- und Betriebswirtschaft. Das ist ein Foto von ihm aus dem Jahr 1965. Seine Tochter studierte Mathematik in Georgetown und Austin sowie an der Harvard-Universität; ihre Dissertation behandelte die Geschichte der Algebra.
1964 wurde Uta Merzbach „associate curator“ im neu eröffneten Smithsonian-Museum. Der Jahresbericht der Institution verzeichnete sie bei den Naturwissenschaften und in der Sektion für Mathematik und historische Instrumente. Sie betreute alle Rechengeräte, die Lochkartentechnik und die Computer. 1966 entstand ein kurzer Film mit ihr und dem Computerpionier Herman Goldstine. Wir sehen die beiden in einem Depot des Museums; Goldstine erläutert die dort stehende IAS-Maschine, die John von Neumann entwickelte.
Einen anderen Pionier traf Uta Merzbach im Jahr 1968. In einem Projekt mit Interviews zur Computergeschichte stand ihr Konrad Zuse Rede und Antwort. Das Gespräch wurde auf Tonband aufgenommen und lässt sich hier nachlesen. Die Transkription füllt 68 Seiten und weist eine Menge Fehler auf; es folgen eine englische Übersetzung und danach eine Reinschrift des deutschen Originals. Die Aussagen des Interviews entsprechen dem, was Zuse auch in seinen Memoiren „Der Computer – Mein Lebenswerk“ niederschrieb.
1971 rückte Uta Merzbach von der assoziierten zur richtigen Kuratorin auf. 1977 brachte sie ein Buch über die Differenzmaschine der Schweden Georg und Edvard Scheutz heraus. Diese gelangte in den 1850er-Jahren in eine amerikanische Sternwarte und später in die Smithsonian-Sammlung. Schon 1967 drehte das Designer-Ehepaar Charles und Ray Eames über die Maschine einen Kurzfilm; das Buch von Uta Merzbach kann nach Anmeldung im Internet Archive gelesen werden. 1984 veröffentliche sie eine umfangreiche Bibliographie der Schriften von Carl Friedrich Gauß.
Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie an den Vorbereitungen einer großen Ausstellung zur Informationstechnik; daraus wurde 1990 die Abteilung Information Age, die bis 2006 bestand. Im Jahr 1988, also lange vor der Pensionsgrenze, zog sich Uta Merzbach aus dem Museum zurück. In Georgetown leitete sie ein Forschungsinstitut zur Geschichte der Mathematik. Sie starb am 27. Juni 2017, ein Jahr später erschien ihr wissenschaftliches Hauptwerk, eine Biographie des deutschen Mathematikers Gustav Lejeune Dirichlet.
In der Museumswelt war Uta Merzbach die erste Kuratorin für Rechengeräte und Computer. Ihr alter Arbeitsplatz, das jetzige Nationalmuseum für amerikanische Geschichte, hat keine Dauerausstellung zum Thema, es zeigt aber seit 2019 die Schau My Computing Device. Von 2011 bis 2013 gab es eine Ausstellung über COBOL. Vieles liegt im Depot; die 2.218 Objekte der Gruppe Computer und Büromaschinen lassen sich zum Glück online studieren. Hinzu kommen Addierer, Rechenmaschinen und analoge Geräte. Wir werden im Blog sicher noch einige Male auf die Schätze in Washington eingehen.