Lorenz Hanewinkel und seine Computer

Geschrieben am 26.03.2021 von

Er ist einer der letzten Entwickler eines großen Röhrenrechners, er schuf aber auch solche mit Transistoren. Lorenz Hanewinkel studierte Physik in Aachen, 1955 ging er nach Hessen zur Zuse KG. Von 1964 bis 1981 arbeitete er für Heinz Nixdorf in Paderborn. Danach war er erfolgreicher Patentanwalt. Am 27. März feiert Lorenz Hanewinkel den 90. Geburtstag.    

Er wohnt zehn Minuten zu Fuß vom HNF entfernt in Paderborn. Geboren wurde Lorenz Hanewinkel am 27. März 1931 in Heiligenstadt; das liegt im Nordwesten von Thüringen und nicht weit weg von Göttingen. Er machte 1949 das Abitur und danach eine Lehre als Rundfunkmechaniker. In eineinviertel Jahren erwarb er den Gesellenbrief. Über die noch löchrige Zonengrenze ging Hanewinkel in den Westen; im Winter 1951/52 erkletterte er als Leitungsmonteur Strommasten in Ostwestfalen-Lippe.

1952 erhielt er einen Studienplatz an der RWTH Aachen. Das Geld fürs Physik-Studium verdiente sich Lorenz Hanewinkel durch das Verfassen von Skripten und als Nachtwächter; in den Ferien arbeitete er im Hildesheimer Blaupunkt-Werk. 1954 war er Hilfsassistent des später als Autor bekannten Physikers Wilhelm Fucks. Hanewinkel wollte eigentlich die Diplomprüfung beim Funkpionier Abraham Esau ablegen, der aber im Mai 1955 plötzlich starb. Es klappte schließlich beim RWTH-Professor Bodo von Borries, einem der Erfinder des Elektronenmikroskops.

Durch Zufall stieß Hanewinkel im mathematischen Institut der Hochschule auf eine Stellenanzeige der Zuse KG. Man suchte den Entwickler eines Elektronenrechners. Lorenz Hanewinkel bewarb sich und wurde sofort genommen. Der 24 Jahre alte Diplom-Physiker bekam ein Monatsgehalt von 900 DM, doppelt so viel wie ein promovierter Einsteiger. In knapp zwei Jahren entstand im hessischen Neukirchen die Zuse Z22. Ihre Grundprinzipien erdachte der Mathematiker Theodor Fromme; Firmenchef Konrad Zuse beteiligte sich nur wenig an der Konstruktion.

Lorenz Hanewinkel 1957 mit einem Kollegen der Zuse KG (Foto Horst Zuse)

Die Z22 wurde auf der Hannover-Messe 1957 vorgestellt; im Februar 1958 stand das erste ausgelieferte System in der Technischen Universität Berlin. Im Vorjahr war die Zuse KG von Neukirchen ins nahe Bad Hersfeld umgezogen. Dort ging Lorenz Hanewinkel sein zweites Projekt an, die Umstellung der Z22 auf die Transistor-Technik. Als die so ausgerüstete Zuse Z23 auf den Weg gebracht war, begann er mit Vorarbeiten für die Nachfolgerin Z25. 1960 verließ er aber die Firma, da er ihre Zukunft recht skeptisch beurteilte.

Seine nächste Station war die Valvo GmbH in Hamburg, Hersteller von Röhren, Transistoren und anderen elektronischen Bauelementen. Als Vertriebsingenieur fuhr Lorenz Hanewinkel durch die Bundesrepublik, und er kam auch nach Paderborn. Hier entwickelte Heinz Nixdorfs Labor für Impulstechnik für die Kölner Wanderer-Werke eine programmierbare Rechenmaschine; sie hatte ein Druckwerk und im Inneren Transistoren. Im Juli 1964 schloss sich Hanewinkel dem Team an; im Dezember wurde die Wanderer Conti der Presse vorgestellt.

Nach der Conti widmete sich Lorenz Hanewinkel einem weiteren Produkt des Labors, der Fakturiermaschine Wanderer Logatronic. Diese hatte der Ingenieur Otto Müller entworfen. Hanewinkel und Müller machten aus ihr den Magnetkontenrechner Nixdorf 820, den ersten Millionenerfolg der jungen Nixdorf Computer AG. 1969 verließ Otto Müller die Firma; Lorenz Hanewinkel blieb an der Pader und wurde leitender Entwickler. Er befasste sich nicht nur mit Computern und integrierten Schaltungen, sondern ebenso mit ISDN-Telefonen.

Dieser Schnappschuss entstand um 1960. (Foto Lorenz Hanewinkel)

Daneben meldete Hanewinkel immer wieder Erfindungen zum Patent an. Ein Beispiel: das Schweizer Patent Nr. 503.331 vom 24. Oktober 1969 für ein Informations-Sichtgerät ist eines der ersten für ein Raster-Display. Schon als Student in Aachen hörte er Vorlesungen zum Patentrecht; später bildete er sich autodidaktisch weiter und betreute das Patentwesen bei Nixdorf. 1978 legte Lorenz Hanewinkel die Anwaltsprüfung am Patentamt und Patentgericht ab. Auch für das Europäische Patentamt in München wurde er als Anwalt zugelassen.

1981 sagte Hanewinkel der Nixdorf Computer AG ade – der Abschied soll frostig gewesen sein – und startete eine zweite Karriere als Patentanwalt. Zu seinen Mandanten gehörten Nixdorf, Triumph-Adler, die Orga Kartensysteme GmbH und der Chipfertiger Hyperstone. Er setzte sich ebenso für Landmaschinen-Firmen, einen Hersteller von Verkehrssignaltechnik und die westfälische Möbelbranche ein. Für sie erstritt er ein wegweisendes Urteil vor dem Bundesgerichtshof. Er meldete viele Patente für Professoren der Universität Paderborn an und führte sie zur Erteilung; außerdem hielt er selbst Vorlesungen zum Patentrecht.

Auch als Patentanwalt blieb Lorenz Hanewinkel in Kontakt zu den Veteranen der Zuse KG und der Nixdorf Computer AG. Am 28. Oktober 2010 zeichnete ihn der Zentralverband Deutsches Baugewerbe mit der Konrad-Zuse-Medaille aus. Unser Eingangsbild zeigt ihn 2019 bei Fernsehaufnahmen im HNF. Videos von ihm gibt es auf der Seite des ZKM – bitte etwas scrollen – und auf YouTube. Am 27. März 2021 wird Lorenz Hanewinkel neunzig Jahre alt; wir wünschen ihm alles Gute. Bei ihm und Professor Horst Zuse bedanken wir uns für die Fotos.

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12 Kommentare auf “Lorenz Hanewinkel und seine Computer”

  1. Peter Wolf sagt:

    Ein Mann im Hintergrund, der aber in die vorderste Reihe gehört. Warum sage ich dies? Man kennt nur Zuse und Nixdorf, die eigentlichen Macher nicht, dies ist sehr schade.

    1. Dem kann ich mich anschließen: es ist spannend, die Männer (und Frauen) hinter den Computern kennen zu lernen. Danke für den Einblick.

  2. Wer weiß, ob es neben Lorenz Hanewinkel und Herrmann Susott noch weitere lebende DV-Oldies gibt, die sowohl für Zuse wie für Nixdorf gearbeitet haben ? Dritter im Bunde war bis vor wenigen Jahren der begabte Entwicklungsingenieur Peter Bendrich.

    1. Hans-H. Susott sagt:

      Hallo, Herr Ryska, es müßte noch in PB den Werner Köpping geben, der war auch bei beiden Firmen tätig!
      Herzliche Grüße aus dem Kraichgau, Ihr Hans-Hermann Susott

      1. Ja, lieber Herr Susott.

        Werner Köpping arbeitete ja noch in dem von Willi Lenz 1983 ins Leben gerufenen AK „Computermuseum „mit, der sich etwa 2x im Jahr traf, aber von Seiten SNI keinen offiziellen Status oder Arbeitsauftrag hatte.

        Köpping organisierte auch noch einige Zeit nach Nixdorfs Tod noch Skatturniere.

    2. Auch der langjährige stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und Nixdorf Software-Manager Wolfgang Raum war vor Nixdorf bei Zuse beschäftigt.

  3. Sehr respektabel hielt sich Lorenz Hanewinkel etwa 1976 in einem Interview des Bayerischen Rundfunks zu den Entwicklungsperspektiven des Computers, das der berühmt-berüchtigte Historiker Sebastian Haffner mit ihm führte. Hanewinkels Vorhersagen für den Stand der IT-Technik im Jahr 2000 sind erstaunlich treffend. Das Interview ist irgendwo im Netz oder über das HNF-Archiv abrufbar.

    1. Es handelte sich um eine Art „Nachtstudio“ von BR 2 Radio und dauerte 30 Minuten. Der urteilsfreudige Haffner ging immer streng mit seinen Gesprächspartnern um. Sein Gedankenapparat zerlegte jede faule Argumentation in ihre Bestandteile. Selbst eine Einschätzung der Bedeutung der Künstlichen Intelligenz traute sich der absolute Laie zu.

      1. Ohne jetzt Haffner konkret zu kennen oder ihn verteidigen zu wollen, ist das in der Regel bei (Technik-)historikerInnen der Fall, dass Sie nicht Fachexperten sein müssen, um sich trotzdem ein wissenschaftlich begründetes Urteil zu erarbeiten. Sie sagen, dass sich das Interview im Internet findet? Ich wäre interessiert an dem Link, um mir selbst davon ein Urteil machen zu können. Es ist an sich schon bemerkenswert, dass sich ein Fachkollege so früh mit der Materie beschäftigte.

  4. Werner Köhnlein sagt:

    Chapeau Lorenz Hanewinkel, denn manche „Später Dazugekommene z.B.von der TU-Bln“ stellen sich heute noch als DIE „Computerpioniere“, ich hatte es nich so schwer, denn ich stieg 1967 bei der IBM-Deutschland in Sidelfingen in die Magnetplattenfertigung ein, da war z.B. der Dr.Fetz.. noch mit seiner Habilitation beschäftigt, später landete ich abgeworben bei TWE in Bln., war aber damals schon „milit. ausgebildeter Speciale“ unter dem späteren NATO G2 von Moens u.Lisboa war 44 Jahre bis zu seinem +2011 Begleiter meines Ziehvaters 1992 zum Cappellano seiner Hl. ernannt. Mein Abschied von TWE war schnell, aber nicht tragisch, denn ich war ab 13 bis 29 etwas problematisch „Stoffgebunden“, das bissle „Computerles schaffte ich , nicht gerade lässig…., nur der NIx,-P-Umgang (abe später u.a. Personalwirtschaft studiert war etwas rüde (heute würden sich beim Rausschmiss ohne Abmahnung die Arbeitsgerichte beschäftigen, wenns mir nicht zu blöde wäre zurückkehren zu wollen, aber es gäbe mehr cash als ein Monatsgehalt damals, …aber ich war ja schon einiges gewöhnt, ich lernte Maschinenbauer im Caritasinternat St.Konradin mit „Lehrling ohne Entgelt“ in meine RV-Karte nachträglich eingestempelt…das verteidigt ein ehem.Caritas Dir.noch heute MdB Peter Weiss. Gott sei Dank ivch hatte meist „gute Arbeit“ auch bei Nixdorf in Bln., danach stieg ich in die Labortechnik im Wedding ein, die akzeptieten mich bwie ich war (nicht leicht!) und boten mir sogar als Betriebliche Leistung eine Lebensversicherung über 50 000.-DM an,davon hörte man bei Nix. noch lange nix! machte die Meisterprfg.imMaschinenbau vor der HK Ulm, Studierte BWL, Refa, und mit 43 noch Qualitätstechnik Abschluss QII., machte Therapieb 1968/69 in der Weihersmühle für junge Suchtkranke, Träger heute der Dt.Orden. Schluss mit History Frage: haben Sie für den „Nicht hauptgesellschafter der Krupp-Werke Baitz auch patentiert? Ich finde es ja amüsant heute im HNF „etwas wahrheitsgetreu einiges berichten zu können. Denn die „Selbsternannten Jungdynamiker von einst“ sind fast alle auf „Tauchstation“vielleicht schlägt das Treuhand? -Gewissen. Der Basitz gefällt mir sogar ein bischen „alsv Lichtausmacher“ der Nixdorf Entwicklungsgeschichte u.Produktion ,denn der war sogar noch bis ca.2018? bei Diebold, dann ging er mit 70? noch zu 4POS in die Schwyz…., allso eines bewundere ich, sen „Stehvermögen in der Branche…..,alles andere „etwas weniger“ im Nachgang noch heftig, wenn ich gedanklich hefte…..! Frohe Ostern bauch nim HNF nund für alle „Aufrichtigen Veteranen“ und „urbi et orbi“ für Alle von einst! Gruß WK

  5. Karl-Ludwig Butte sagt:

    Das erste Schwarz/Weiß-Bild dieses Artikels ist mit der Unterschrift „Lorenz Hanewinkel 1957 mit dem Zuse-Kollegen Robert Rohrbach (Foto Horst Zuse)“ versehen. Das gleiche Foto ist auch in Lorenz Hanewinkels Buch: „Computerrevolution – Mein Weg mit Konrad Zuse und Heinz Nixdorf (Herausgeber: Lorenz Hanewinkel, Verlag: Druckerei Keline GmbH & Co. KG, Paderborn) auf S. 39 abgedruckt. Dort ist allerdings angegeben, dass es sich bei der Person links im Bild um Herr. Dr. Everding von der TH Aachen handelt. Dr. Everding war Assisten bei Herrn Prof. Dr. Cremer von der TH Aachen und Herrn Hanewinkel schon von seinem Studium dort bekannt. Ich gehe daher davon aus, dass es sich nicht, wie angegeben, um Herrn Robert Rohrbach handelt.

    1. HNF sagt:

      Herzlichen Dank für Ihren Hinweis. Wir haben die Bildunterschrift nach Rücksprache mit Lorenz Hanewinkel geändert.

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