M. C. Escher – Mathematik und Kunst
Geschrieben am 22.03.2022 von HNF
In der Geschichte der modernen Kunst blieb er ein Außenseiter, seine Drucke genießen aber noch eine große Popularität. Sie werden vor allem von Wissenschaftlern geschätzt. Der 1898 in Leuwaarden geborene und vor fünfzig Jahren in Hilversum verstorbene Maurits Cornelis Escher war ein Meister der geometrischen Grafik. Er stellte auch Untersuchungen über ihre mathematischen Grundlagen an.
Der SPIEGEL entdeckte ihn erst, als er bereits tot war: „Kunstexperten verachten ihn, aber Pop-Adepten und Wissenschaftler begeistern sich für den skurrilen Augentrug.“ So schrieb das Nachrichtenmagazin im Dezember 1972. Zum Augentrug kommen wir noch, mit den Pop-Adepten meinte der anonyme Autor wahrscheinlich Musiker, Sänger und Gebrauchsgrafiker der wilden 1960er-Jahre.
Maurits Cornelis Escher, der am 27. März 1972 in Hilversum starb, war ein richtiger Grafiker. Er beherrschte Holz- und Linolschnitt, Lithographie und Mezzotinto; gemalt hat er höchstens mit Wasserfarben. Geboren wurde er am 17. Juni 1898 in Leuwaarden; der Vater gelangte als Ingenieur im Staatsdienst zum Wohlstand. Der junge Escher verließ ohne Abschluss das Gymnasium in Arnheim, die Technische Hochschule Delft und die Kunsthochschule Haarlem. Hier entdeckte er aber sein grafisches Talent und perfektionierte es. Einen großen Einfluss übten auf ihn der Kunstprofessor Samuel Jessurun de Mesquita und seine Werke aus.
Ab 1922 bereiste M. C. Escher Italien und Spanien; in Granada sah er die geometrischen Fliesen der Alhambra. 1923 traf er in Ravello bei Neapel die junge Schweizerin Jetta Umiker, ein Jahr später heiratete er sie. Ab 1925 lebte Escher in Rom. Motive für Bilder fand er auf langen Wanderungen durchs Land; seine Grafiken strahlen einen magischen Realismus aus. 1935 zogen die Eschers in die Schweiz und 1937 weiter nach Belgien. 1936 sponserte eine Reederei dem Künstler eine Mittelmeer-Tour, und er besuchte erneut die Alhambra.
Jetzt schlug der kreative Blitz ein. Escher widmete sich fortan den Parkettierungen, in denen bestimmte Abschnitte wiederholt und variiert werden. Das wohl bekannteste Resultat war das Bild „Tag und Nacht“ von 1938: Aus Feldern auf der Erde werden Vögel in der Luft und aus ihnen Flächen auf dem Papier. Einer seiner Brüder wies M. C. Escher auf Artikel der „Zeitschrift für Kristallographie“ hin, in denen der Kristallforscher Friedrich Haag und der Mathematiker George Pólya die Gesetze solcher Muster formuliert hatten. Pólya ermittelte 1924 siebzehn unterschiedliche Kategorien.
Escher begann selbst zu forschen und schuf eine Systematik für Flächenunterteilungen. Wir verweisen dazu auf den Artikel der amerikanischen Mathematikerin Doris Schattschneider. 1941 zog er mit der Familie in die Kleinstadt Baarn bei Hilversum. Seine Heimat war seit 1940 von deutschen Truppen besetzt. Da Escher nicht der holländischen Kulturkammer beitrat, konnte er keines seiner Werke ausstellen. Nach Kriegsende erweiterte er seine Motive um geometrische Körper, gekrümmte Räume und gegensätzliche Perspektiven.
1951 wurde er durch einen Artikel der Illustrierten LIFE – bitte zu Seite 18 vorgehen – in den Vereinigten Staaten bekannt. Im September 1954 fand in Amsterdam ein Internationaler Mathematiker-Kongress statt; parallel dazu zeigte ein Museum der Stadt eine Escher-Schau. Die Kongressteilnehmer strömten hinein; zu ihnen gehörte Roger Penrose. Der Engländer war besonders angetan vom Bild „Relativität“; es inspirierte ihn zum Penrose-Dreieck, einer unmöglichen Figur. Er wusste nicht, dass der Schwede Oscar Reutersvärd ein ähnliches Gebilde schon 1934 skizzierte.
In den 1950er- und 1960-Jahren entwickelte M. C. Escher sein volles Bildprogramm. Neben unmöglichen Gebäuden produzierte er Bänder, Knoten und Spiralen. Ein Briefkontakt mit dem englisch-kanadischen Mathematiker H. S. M. Coxeter führte ihn zu Darstellungen der hyperbolischen Geometrie. 1961 erschien ein Escher-Druck auf dem Cover des „Scientific American“, 1966 stellte Mathematik-Redakteur Martin Gardner den Urheber ausführlich vor. Der wurde daraufhin von Fan-Post überschwemmt. Der Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger schrieb 1969 an Dear Maurits, eine Anrede, die dieser gar nicht mochte.
In jenem Jahr schuf M. C. Escher sein letztes Werk Schlangen. Er hatte sich von seiner Frau getrennt, und seine Gesundheit verschlechterte sich. Ab 1970 lebte er in einem Altersheim für Künstler in einem Vorort von Hilversum. Am 27. März 1972 starb er im Krankenhaus der Stadt. Sein Erbe verwaltet eine Stiftung; viele Originale wurden jedoch 1981 verkauft und in aller Welt zerstreut. Eine großartige Sammlung besitzt die amerikanische Nationalgalerie in Washington. 2002 eröffnete in Den Haag ein Escher-Museum.
Seine Homepage liefert viele Informationen; wir empfehlen den Blog Escher today. Im Netz finden sich Filme mit und über Escher von 1971, 1999 und 2018, seine Grafiken kann man hier oder hier studieren. Echte Drucke bieten diese und jene Seite an. Ein bekannter Autor von Escher-Büchern war Bruno Ernst. In den 1990er-Jahren verfasste der Radio- und TV-Produzent Wim Hazeu eine Biographie, die nur in holländischer Sprache vorliegt; Eschers Kunst spricht für sich. Das Eingangsbild zeigt eine Briefmarke von ihm aus dem Jahr 1935.