„No Such Agency“: 70 Jahre NSA
Geschrieben am 04.11.2022 von HNF
Am 4. November 1952 begann die National Security Agency der USA ihre Tätigkeit. Die Behörde schöpft mit vielfältigen Techniken elektronische Informationsflüsse aus dem In- und Ausland ab und liest geheime Nachrichten mit; sie schützt auch die Kommunikation amerikanischer Stellen. Seit der Gründung ist die NSA ein eifriger Computernutzer. 1962 installierte sie ihren ersten Hochleistungsrechner HARVEST.
Die Vereinigten Staaten traten später als andere Länder in die geheime Welt ein. Ab 1908 verfügten sie über einen Inlandsdienst, der 1935 den Namen FBI annahm. Erst 1947 entstand mit der CIA eine Agentur für Spionage und für verdeckte Operationen im Ausland. Außerdem hatte jede Waffengattung damals eine Abteilung, die fremden Funkverkehr abhörte und chiffrierte Nachrichten entschlüsselte.
Am 20. Mai 1949 wurde für solche Aufgaben eine weitere Stelle geschaffen, die „Armed Forces Security Agency“ AFSA; ihre 5.000 Mitarbeiter kamen meist von den militärischen Diensten. Der 1950 ausbrechende Korea-Krieg zeigte aber ihre Schwächen auf. Im Dezember 1951 rief US-Präsident Harry Truman ein Komitee ins Leben, das Verbesserungsvorschläge erarbeiten sollte. Sie lagen im Juni 1952 vor und wurden von Truman weitgehend akzeptiert. Am 24. Oktober verfasste er ein Memorandum, das als Geburtsurkunde der National Securiy Agency gilt; der Name steht auf Seite 2 unter Punkt (5).
US-Verteidigungsminister Robert Lovett schloss in einem zweiten Memo vom 4. November 1952 die Gründung ab. Damit erhielten die USA ihren dritten großen Geheimdienst nach FBI und CIA. Formal ging die NSA aus der AFSA hervor, sie war aber dem Pentagon unterstellt. Erster Direktor wurde der 57-jährige Armeegeneral Ralph Canine. Zunächst verteilten sich die Büros der NSA auf zwei Adressen im Raum Washington, in den späten 1950er-Jahren bezog sie eine neue Zentrale in Fort Meade zwischen Washington und Baltimore. 1986 kamen, siehe Eingangsbild, zwei dunkel verkleidete Gebäude hinzu.
Während das FBI und die CIA oft in der Zeitung standen, hielt sich die NSA medial zurück. Gelegentlich wurde ihre Existenz bestritten, was zur Lesart „No Such Agency“ – keine solche Agentur – für das Kürzel führte. Das änderte sich am 6. September 1960. An diesem Tag traten die NSA-Mathematiker William Martin und Bernon Mitchell in Moskau vor die Presse und verrieten einiges über ihren ehemaligen Arbeitgeber. Die beiden hatten im Juni 1960 die USA verlassen und waren über Mexiko und Kuba in die Sowjetunion gereist. Die Reaktion des US-Verteidigungsministeriums ist im Video überliefert.
Im August 1972 brachte die amerikanische Zeitschrift Ramparts ein Interview mit einem anderen Informanten. Perry Fellwock, geboren 1947, arbeitete dreieinhalb Jahre lang beim Geheimdienst der US-Luftwaffe. Er gehörte zu den Zulieferern der NSA und erfuhr dabei eine Menge über ihre Arbeit und ihren Aufbau. Vor fünfzig Jahren hatte die Agentur rund 15.000 Mitarbeiter, ein Jahresbudget von einer Milliarde Dollar und 2.000 Lauschposten, die „Field Stations“. Sie analysierten Abstrahlungen und Radarsignale meist russischer Herkunft; ihre wichtigste Aufgabe war die Communication Intelligence oder COMINT.
Der Ausdruck bezeichnete das Sammeln, Auswerten und Entschlüsseln von elektronischer Kommunikation. Die Aufgaben vermehrten sich durch Mobiltelefonie und Internet; die NSA lernte auch das Hacken und den Cyberkrieg. Aktuelle Angaben zur Zahl der Mitarbeiter und der Höhe des Jahresetats liegen nicht vor, geleitet wird die NSA zur Zeit durch General Paul Nakasone. Heute ist sie ebenso bekannt wie ihre Schwesterdienste, sie genießt aber einen schlechten Ruf. Verantwortlich dafür sind vor allem die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden aus dem Jahr 2013.
Ihre guten Taten hält die National Security Agency geheim, doch wissen wir einiges über die Geschichte ihrer Computer. Nach der Gründung hatte die Agentur Zugriff auf die beiden Röhrenrechner ATLAS und ABNER, die die Kryptologen der Marine und der Armee nutzten. Ab 1953 wurden Kopien beider Anlagen bei der NSA installiert. Bis 1960 bestellte sie außerdem elf IBM-Systeme und fünf Rechner namens BOGART bei der Firma Sperry Rand. 1958 erwarb sie beim Hersteller Philco den Transistorcomputer SOLO, setzte ihn aber nur für Tests ein.
In den 1960er-Jahren wuchs der Maschinenpark durch Neuzugänge von IBM, Control Data und Sperry Rand. Im Februar 1962 ging in Fort Mead der Computer HARVEST in Dienst, eine Erweiterung des Großrechners IBM Stretch. Er wurde mit dem Magnetbandsystem TRACTOR verbunden und durchsuchte riesige Textmengen. Das Duo war vierzehn Jahre in Betrieb. Danach legte sich die NSA Supercomputer von Cray Research zu, darunter auch das Modell Cray-2.
Das möge zur geheimen Rechentechnik genügen. Für zusätzliche Details empfehlen wir dieses und dieses Werk. Unverzichtbar zum Studium der NSA-Geschichte sind die Bücher von James Bamford; zur Lektüre muss man sich allerdings beim Internet Archive anmelden. Einen frei zugänglichen Rückblick ins Jahr 1989 liefert der SPIEGEL, dem Ministerium für Staatssicherheit verdanken wir Einblicke in die Field Station Berlin. Das Eingangsbild, das Wappen und das Museum nahm HNF-Geschäftsführer Dr. Jochen Viehoff in Fort Meade auf.