PERQ mit GUI

Geschrieben am 12.04.2024 von

Am Wochenende veranstaltet das HNF mit dem Dortmunder Retro Computer Treffen DoReCo das Retro Computer Festival. Wie bei früheren Events gibt es viel historische Hard- und Software zu sehen. Ein Schwerpunkt ist die grafische Benutzeroberfläche oder GUI. Einer der ersten Computer mit dieser Technik, der 1981 in den Handel kam, war die amerikanische Workstation PERQ.

Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt, um Erich Kästner zu zitieren. Dann erfanden sie Lochkarte und Lochstreifen und den Computer, der mit beiden gefüttert wurde. Es folgte der Schnelldrucker, der die Ergebnisse zu Papier brachte, und der Monitor, der sie anzeigte. Hier erschien auch die grafische Benutzeroberfläche, eine interaktive Darstellung, um mit dem Computer zu kommunizieren. Nach dem Ausdruck „Graphical User Interface“ wurde sie mit GUI abgekürzt.

Die allerersten GUIs sah man in den 1970er-Jahren auf den Alto-Rechnern im PARC, dem kalifornischen Forschungszentrum der Kopiererfirma Xerox. 1981 zauberte der Xerox Star ein grafisches Menü auf den Monitor, 1983 tat es die Apple Lisa. Beide Computer konnte man mit einer Maus bedienen. Weitgehend vergessen ist die Workstation PERQ. Auch sie brachte ein solches Interface mit; ein Prototyp wurde im August 1979 in Chicago auf der SIGGRAPH vorgestellt, der alljährlichen Konferenz über Computergrafik.

Eine PERQ-Anlage: Links steht die Elektronikbox mit Diskettenlaufwerk, rechts auf dem Tisch liegt das Tablet mit einem Stift. (Copyright UKRI Science and Technology Facilities Council)

Der Name PERQ ging auf das englische Wort „perk“ zurück, was so viel wie Zuschuss heißt. Er bezeichnete einen größeren Kleincomputer, der in der Sechzehn-Bit-Welt operierte. Im Inneren steckten Logik-Chips von Texas Instruments und integrierte Schaltungen der Firma AMD. Der Arbeitsspeicher fasste 256 Kilobyte und ließ sich auf ein Megabyte erweitern; mitgeliefert wurden ein Diskettenlaufwerk und eine Festplatte mit zwölf Megabyte. Der hoch stehende Monitor präsentierte 768 mal 1.024 Pixel. Die Eingaben erfolgten auf einem Tablet neben der Tastatur, also per Finger oder Stift statt mit der Maus.

Programmiert wurde der PERQ mit der Sprache Pascal; der Name ließ sich auch als Kürzel von „Pascal Engine that Runs Quicker“ deuten. Das Besondere an der schnellen Pascal-Maschine war aber das Monitor-Menü mit seinen Grafiken und Animationen; das ist eine Emulation. Eine Broschüre des Herstellers erwähnte einen „Display Window Manager“; wir lesen dort: „Der Fenster-Manager teilt den Bildschirm in getrennte Flächen oder Fenster auf. […] Fenster können einander überlappen und können so groß wie der gesamte Bildschirm oder so klein wie eine Briefmarke sein.“

PERQ-Screenshot   (Foto UKRI Science and Technology Facilities Council)

Damit war der PERQ-Prototyp der zweite GUI-Rechner nach dem Alto. Sein Erbauer, die Three Rivers Computer Corporation, saß im amerikanischen Pittsburgh. Der Firmenname erinnerte an die Flüsse Ohio, Allegheny und Monongahela, die durch die Stadt strömen. Die Firma wurde 1974 von Absolventen der in Pittsburgh ansässigen Carnegie-Mellon-Universität gegründet, darunter Brian Rosen. Er verließ dann das Unternehmen und arbeitete im PARC an einem Nachfolger des Alto. Nach der Rückkehr entwickelte er den PERQ.

Eine marktfähige Ausführung ging Ende 1980 oder Anfang 1981 an die obige Universität. Ein anderer Kunde war das Rutherford-Appleton-Labor in Chilton südlich von Oxford. Der anglo-amerikanische Kontakt führte dazu, dass der Computerkonzern ICL ab 1982 den PERQ auch in England fertigte. Es entstanden mehrere Versionen; das Modell PERQ 3A erhielt einen Mikroprozessor. 1984 nannte sich die Three Rivers Computer Corporation in PERQ System Corporation um. 1985 kam die Insolvenz und beendete die Geschichte der Workstation.

PERQ-Broschüre des englischen Computerkonzerns ICL; hierzulande kostete ein System 85.000 DM.   (Foto UKRI Science and Technology Facilities Council)

Ihr bleibt der Ruhm, der wohl erste kommerzielle GUI-Rechner gewesen zu sein. Außerdem war es der erste, der in Europa gebaut wurde. Das Rutherford-Appleton-Labor hat den PERQ umfangreich dokumentiert; hier geht es zu Fotos von 1981 und hier zu PR-Materialien: bitte links oben „Further reading“ anklicken. 1982 führte ICL den PERQ auf einer Messe in Köln vor oder versuchte es wenigstens. Weitere Unterlagen liegen auf den Seiten bitsavers.org – wir empfehlen besonders die Schrift von Robert Davis – sowie DigiBarn und toastytech. Eine Übersicht zur GUI-Geschichte liefert die englische Wikipedia.

Grafische Benutzeroberflächen live und in Farbe kann man am Samstag und Sonntag im HNF sehen. Dort findet nach zwei Jahren wieder das Retro Computer Festival statt; Partner ist das Dortmunder Retro Computer Treffen DoReCo. Neben Hard- und Software gibt es Workshops und Vorträge, wo es unter anderem um GUIs geht. Der Eintritt zum Festival und zum übrigen MuseumsForum ist das ganze Wochenende frei; die Türen öffnen sich jeweils um 10 Uhr.

Unser Eingangsbild zeigt zwei PERQs samt Nutzer und Nutzerin im Jahr 1981 (Copyright UKRI Science and Technology Facilities Council). Es stammt wie die übrigen Fotos im Blogbeitrag von dem sehr zu empfehlenden Internetportal https://www.chilton-computing.org.uk.

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Ein Kommentar auf “PERQ mit GUI”

  1. Karl Jaeger sagt:

    Wunderbar der PERQ Artikel. Die allermeisten Benutzer mussten noch lange auf ein GUI warten. Obwohl der IBM PC 1983 bereits bei IKOSS in Aachen rumstand, konnte man damit nicht viel anfangen. Windows war noch nicht geboren. So kam es dass ich 1988 bei Stratus in Frankfurt die Aufgabe bekam eine Broschüre zu gestalten. Dazu wurde ein MAC 512k benutzt der über Microsoft Word verfügte! Eine Revolution und ich verbrachte viel Zeit mit dem GUI. Lotus123 war auch an Bord und man konnte die fertigen Tabellen in das Word Dokument kopieren. Eine neue Welt tat sich für mich auf.

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