Rechnen mit Feldern

Geschrieben am 09.02.2018 von

Im ersten Halbjahr 1956 meldete Konrad Zuse fünf Patente für Feldrechenmaschinen an. Dabei handelte es sich um Computer mit einem oder mehreren Trommelspeichern und einer speziellen Arbeitsweise: Sie operierten mit Zahlenfeldern. 1958 stellte Zuse seine Erfindung auf einem Kongress in Madrid und in einer Fachzeitschrift vor. Der Feldrechner war im Ansatz ein Vorläufer späterer Supercomputer.

Ein Computer ist ein ziffernbasierter und programmgesteuerter Rechner. Er besteht aus dem Rechen- und dem Steuerwerk, einem Speicher und Vorrichtungen zur Ein- und Ausgabe. Ein Computer arbeitet eine Folge von Anweisungen und Daten ab. Bei den mathematischen Operationen verändert er jeweils eine Zahl oder gewinnt aus einem Zahlenpaar eine neue. Das kann etwa die Summe oder das Produkt der beiden Ausgangszahlen sein.

Den ersten praktikablen Computer entwickelte Konrad Zuse im Jahr 1941. Er verwendete elektromagnetische Relais. 1948 lief in England ein richtiger Elektronenrechner. Ab den späten 1940er-Jahren besaßen Denkmaschinen ein neues Bauelement: eine sich schnell drehende Trommel mit magnetisierbarer Oberfläche. Sie nahm Register und Speicherplätze auf. Die ersten Nachkriegscomputer der jungen Zuse KG, die Z5 und die serienmäßige Z11, waren trommelfrei. Doch ab 1955 machte sich auch Konrad Zuse mit der Technik vertraut.

Grund war das nächste Produkt seiner Firma, die vollelektronische Z22. Sie sollte neben Vakuumröhren eine Speichertrommel erhalten. Bis zum Bau des Prototyps war noch Zeit, und Zuse tat das, was er wohl am liebsten tat: Er erfand. In diesem Fall Elektronenrechner mit einer oder mehreren Magnettrommeln und für eine besondere Aufgabe. Es handelt sich –  wir zitieren den Titel seines Patents – um Rechenmaschinen zur Durchführung von Rechenvorschriften, die sich auf Felder von gitterartig angeordneten Feldwerten erstrecken.

Teilnehmer des Internationalen Kongresses über Automation in Madrid im Oktober 1958 (Foto museo de informática García Santesmases)

Solche Felder sind auch als Matrizen bekannt und meist rechteckig. Sie enthalten M x N Dezimal- oder Dualzahlen in M Zeilen und N Spalten. Am 25. Februar 1956 meldete Zuse das Hauptpatent an; es wurde Anfang 1962 unter der Nummer 1.122.748 gewährt. Mit ihm schuf er einen neuen Computertyp, die Feldrechenmaschine. Er zeichnete sich dadurch aus, dass der Großteil der Operationen nicht in wenigen Registern stattfand, sondern überall auf der Oberfläche der Trommel. Denn dort wurden Felder von Binärzahlen gespeichert.

Unser Eingangsbild (CC BY-NC-SA 3.0) stammt aus einem englischen Vortrag Zuses. Es zeigt besagte Trommel und die auf ihr befindlichen Felder 1, 2, 3,… . Die Speicherplätze für die Spalten liegen reihum auf schmalen Sektoren der Oberfläche, die Plätze der Zeilen ziehen sich der Länge nach die ganze Trommel entlang. Sie enthalten Nullen oder Einsen. An den Trommelabschnitten sitzen Lese-Schreib-Köpfe, die „reading recording heads“. Dabei kann jeder Kopf gleichzeitig die parallelen Spalten eines Feldes auslesen oder beschreiben.

Der Feldrechner operiert jeweils auf einem ausgewählten Zahlenfeld. Er verdoppelt zum Beispiel jedes Element durch Anhängen einer 0 oder addiert das korrespondierende Element eines anderen Feldes hinzu. Dieses muss vorher in einen speziellen Speicher verschoben werden, den Akkumulator. Als Akkumulator kann ein weiterer Sektor der Trommel dienen. Konrad Zuse dachte aber auch schon an die Nutzung des jüngst erfundenen Kernspeichers, der Bits in einem Drahtgeflecht mit kleinen magnetisierbaren Ringen aufnimmt.

Konrad Zuse beim Madrider Kongress, links neben ihm steht der Wiener Computerpionier Heinz Zemanek (Foto museo de informática García Santesmases)

Ein besonderes Augenmerk richtete Zuse auf die Realisierung der Multiplikation. Hierfür meldete er von März bis Juni 1956 vier zusätzliche Patente an. Sie wurden 1962 und 1963 erteilt. Wer sich für die Schriften interessiert, der möge die Datenbank des Patentamts im Netz aufrufen. Anschließend bitte in das oberste Fenster („Veröffentlichungsummer“) die Ausdrücke DE1141811B, DE1141812B, DE1141813B oder DE1147058B eintragen. Das Basispatent vom Februar 1956 kommt nach Eingeben von DE1122748B.

Im Konrad Zuse Internet Archive findet sich eine kompakte Beschreibung des neuen Rechners – einfach nach Erscheinen auf die angezeigte Seite klicken. Der Artikel entspricht einem englischsprachigen Vortrag, den der Erfinder im Oktober 1958 in Madrid hielt. Dort fand ein internationaler Kongress über Automation statt. Zu Beginn des Referats machte Zuse auch ein bisschen Reklame für die Produkte seiner Firma. Die trommelbestückte Z22 war inzwischen fertig und wurde an westdeutsche Universitäten ausgeliefert.

Konrad Zuses Feldrechner wurde dagegen nie gebaut. Eines seiner Merkmale treffen wir aber in späteren Computern an, nämlich die Parallelverarbeitung. Wie erinnerlich, erfasst jeder Lese-Schreib-Kopf gleichzeitig mehrere auf der Trommel gespeicherte Zahlenkolumnen. Im Prinzip genauso operieren seit den 1970er-Jahren die Vektorrechner, eine Untergruppe der Supercomputer, wenn sie viele gleichartige Daten derselben Berechnung unterwerfen. Sie schaffen es allerdings ohne eine rotierende Magnettrommel.

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