
Telefon zum Sehen
Geschrieben am 09.05.2025 von HNF
Am 5. Mai 2025 stellte Microsoft den Internet-Dienst Skype ein. Damit endete auch ein System für die Bildtelefonie. Sie zählt zu den ältesten Träumen der IT-Technik. 1936 eröffnete die Reichpost eine Fernsehsprech-Verbindung von Berlin nach Leipzig. In den 1960er-Jahren lief in den USA das Picturephone. Die Bundespost testete in den Achtzigern die Videotelefonie im BIGFON-Projekt.
Der Titel der Zeitschrift lautete Punch’s Almanack for 1879; sie erschien Ende 1878 als Sondernummer des englischen Humorblatts. Behandelt wurden zukünftige Innovationen, zum Beispiel Thomas Edisons Antigravitations-Unterwäsche. Eine andere Erfindung, die der Almanach dem amerikanischen Tüftler zuschrieb, war das Telefonoskop, eine Fortsetzung des Telefons. Es übertrug Töne wie Licht.
Die Zeichnung war nicht ernst gemeint, sie führte aber ein Konzept ein, das Technikfreunde bis heute beschäftigt: das Bild-, Fernseh- oder Videotelefon. Zur Hälfte realisierte es der schottische TV-Pionier John Logie Baird. 1926 verband er in seiner Londoner Wohnung eine Nipkow-Scheibe zur Bildaufnahme mit einer zweiten für die Wiedergabe. Es fehlte nur der Ton. 1927 schickten die Bell-Laboratorien ein 50-Zeilen-Bild des US-Handelsministers und späteren Präsidenten Herbert Hoover von Washington nach New York. Über eine parallele Telefonleitung konnte man ihn dort auch hören.
1930 verknüpften die Bell Labs in New York zwei Adressen mit Two-Way Television, einem firmeninternen Bildtelefon mit 72 Zeilen. Das ist ein leicht kritischer Artikel des Magazins „Popular Science“. Das erste System für die Allgemeinheit startete die Reichspost am 1. März 1936. Zwei Stationen in Berlin und eine in Leipzig – zwei zur Leipziger Messe – ermöglichten Fernsehsprechen. Die technische Basis bildeten Nipkow-Scheiben mit 180 Löchern. 1937 wurde die Leitung nach Nürnberg verlängert, 1938 erreichte sie München. Eine weitere Linie ging von Berlin nach Hamburg. Der Dienst endete 1940.

Das Telefonoskop von 1878 – bitte zum Vergrößern anklicken (Foto Universitätsbibliothek Heidelberg CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)
In den 1950er-Jahren setzten die Bell-Laboratorien ihre Forschungsarbeit fort, das erste „Picturephone“ von 1956 übertrug neben Sprache dreißig Bilder pro Minute. Schneller lief das Gerät, das 1964 auf der Weltausstellung von New York seine Premiere erlebte. Mit ihm wurden in einigen Städten Telefonkabinen installiert, doch nur wenige Gespräche getätigt. Ab 1969 betrieb die Mutterfirma der Bell Labs, der AT&T-Konzern, ein Picturephone-Netz für Einzelnutzer mit neuer Hardware, um 1974 gab man es wieder auf. Erfolglos blieb ebenso das VideoPhone 2500 in den 1990er-Jahren.
In den Sechzigern und Siebzigern entstanden Bildtelefon-Systeme in Japan, Schweden, England, Frankreich, in den Niederlanden, der Sowjetunion und bei uns; 1971 schuf Siemens eine Strecke Darmstadt-München. 1981 begann das Projekt BIGFON der Bundespost, bei dem sieben Städte Glasfaser-Netze erhielten; dort waren auch Bildtelefonate möglich. Ein Fernsehbericht erinnert an den Start in Hamburg 1984 und den ersten Video-Anruf. 1989 zog das volldigitale Netz ISDN ein, das gleichfalls solche Gespräche erlaubte. Im Werbefilm sieht man das bei Minute 15:00.
Die Vielfalt der benutzten Hardware dokumentiert die Sammlung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation; weitere Informationen liefert ein Online-Vortrag. Unter Historikern galt das Bildtelefon als gescheiterte Innovation, ab 2005 wurde es durch das Video-Angebot der Plattform Skype rehabilitiert. Sie wurde am 5. Mai 2025 von Microsoft abgeschaltet, erhalten bleiben uns Apps anderer Eigner für das Smartphone und natürlich Programme für Videokonferenzen. Im Blog schilderten wir bereits das populäre Zoom.
Den Freunden des klassischen Videotelefonie empfehlen wir das Buch Face-To-Interface des Medienforschers Tobias Held. Neben der Technikgeschichte behandelt es Science-Fiction-Filme, in denen Bildtelefone erscheinen. Beispiele sind Colossus und 2001 – man beachte im Clip den Schriftzug an der Kabine. Das Comelit der gleichnamigen italienischen Firma im Eingangsbild führt uns zu Herbert Hoover zurück: es verbindet zwei Stationen, die Wohnung oder das Büro und den Hauseingang.
Es folgt noch eine historische Fotostrecke:

US-Handelsminister Herbert Hoover 1927 beim ersten Bildtelefon-Gespräch – von dem Aufnahmegerät mit Nipkow-Scheibe ist links die Kante sichtbar.

Der schwedische Ministerpräsident Tage Erlander 1969 vor einem Ericsson-Bildtelefon – das Gerät steht ganz rechts. Auf dem Monitor dahinter erscheint Erlander.

Französisches Bildtelefon von 1970 (Foto Rama CC BY-SA 3.0 FR seitlich beschnitten)

Picturephone-Modell von 1972 (Foto Richard Diehl CC BY 3.0 seitlich beschnitten)

Vorführung von Philips-Geräten 1974 in Den Haag: rechts sitzt der technische Direktor der niederländischen Postbehörde.

Bildtelefon Alcatel Visionis von 1989 (Foto Rama CC BY-SA 3.0 FR seitlich beschnitten)

Das T-View 100 der Deutschen Telekom kam 1997 (Foto Nightflyer CC BY-SA 3.0)