Tony Sale und sein Preis

Geschrieben am 17.11.2016 von

2012 lobte die englische Computer Conservation Society den Tony-Sale-Preis aus. Er wird alle zwei Jahre für den Erhalt oder die Rekonstruktion historischer Hard- oder Software verliehen. Erster Preisträger war der deutsche Medientheoretiker David Link. 2014 erhielten ihn das kalifornische Computer History Museum und Professor Raúl Rojas von der FU Berlin. Jetzt war das HNF erfolgreich.

Tony Sale, geboren 1931 nicht fern von London, hatte eine beneidenswerte Karriere. Als Teenager baute er Roboter, als junger Mann unterrichtete er Radartechnik in der Royal Air Force. Nach kurzem Zivilleben als Ingenieur arbeitete er für den Inlandsgeheimdienst MI5, danach in der Rüstungsindustrie. 1968 zog es ihn in die Softwarebranche. Ab 1989 war Sale Kurator im Londoner Science Museum. Er rettete die Baracken des berühmte Entschlüsselungszentrums Blechtley Park vor dem Abriss.

Sein Hauptwerk ist die Rekonstruktion des ersten Elektronenrechners Colossus. Im Krieg knackten solche Maschinen deutsche Geheimcodes in Bletchley Park. Später wurden sie fast restlos entsorgt. Sale startete 1993 ein Nachbau-Projekt. Der wiederauferstandene Colossus wurde 2007 durch einen Crypto-Event eingeweiht, an dem das HNF teilnahm. Tony Sale starb 2011. Nach seinem Tod schuf die Computer Conservation Society CCS – Sale war einer ihrer Gründer – den nach ihm benannten Preis.

Tony Sale vor seinem Colossus (Foto Computer Conservation Society)

Tony Sale vor seinem Colossus (Foto Computer Conservation Society)

Die CCS ist ein eingetragener Verein und Ableger der 1957 gegründeten British Computer Society. Sie setzt sich für den Erhalt historischer Hard- und Software ein und fördert Projekte in diesem Feld. Eine solche Maßnahme ist auch der Tony-Sale-Preis; er umfasst eine Trophäe sowie 1.000 britische Pfund, gestiftet von Google. Die Träger werden alle zwei Jahre durch eine internationale Expertenjury ermittelt. Der Preis belohnt neuartige und originelle Ansätze der IT-Restaurierung, die die Forschung voranbringen und ebenso die Öffentlichkeit erreichen.

Erster Gewinner war 2012 David Link. Er wurde 1971 in Düsseldorf geboren und studierte an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Seine Promotion behandelte frühe Software zur Erzeugung von Texten. Links preisgekrönte Arbeit LoveLetters_1.0 rekonstruierte ein Programm des englischen Computerpioniers Christopher Strachey. Strachey schrieb es 1952 für den Elektronenrechner der Universität Manchester; sein Output waren Liebesbriefe. Links Programm wurde samt Hardware 2012 in der Alan-Turing-Ausstellung des HNF installiert und ist natürlich online.

David Link und sein System 2012 im HNF

David Link und sein System 2012 im HNF. (Foto: Jan Braun, HNF)

2014 erhielten zwei Projekte den Tony Sale Award, wie er im Original heißt. Gewinner Nr. 1 war das Computer History Museum im kalifornischen Mountain View. Hier hatte ein Team unter der Leitung von Robert Garner zwei IBM-1401-Rechner wieder zum Laufen gebracht. Die IBM 1401 kam 1959 heraus und arbeitete mit Transistoren und Kernspeichern; zu seiner Peripherie gehörte der schnelle Kettendrucker IBM 1403. Bis 1971 wurden mehr als 12.000 Computer des Typs produziert.

Der zweite Tony-Sale-Preis von 2014 ging an Raúl Rojas, Informatikprofessor der Freien Universität Berlin. Er hatte die Architektur des programmgesteuerten Digitalrechners Z1 erforscht, den Konrad Zuse 1938 vollendete. Rojas und sein Team schrieben außerdem eine interaktive Version des Z1-Rechenwerks fürs Internet. Die Z1 war rein mechanisch und stets verklemmt, doch die Grundlage der elektromagnetischen Z3. Die Z3 lief erfolgreich 1941 und gilt allgemein als der erste Computer.

Robert Garner (links) und Raúl Rojas 2014 mit ihren Trophäen (Foto (c) John Robertson)

Robert Garner (links) und Raúl Rojas 2014 mit ihren Trophäen (Foto John Robertson, FU Berlin)

Für den Tony-Sales-Preis 2016 stellten sich vier Bewerber ein. Das Vintage IBM Computing Center im Bundesstaat New York rettete einen der erwähnten IBM-1403-Drucker. Professor Jim Austin von der Universität der englischen Stadt York machte sich um den Erhalt einer IBM 3084 und einer Cadlinc-Workstation verdient. Beide stammen aus den 1980er-Jahren. Das Rhode Island Computer Museum im gleichnamigen US-Bundesstaat restaurierte eine PDP 12. Der Minicomputer des Herstellers Digital Equipment erschien 1969 auf dem Markt.

Bewerber Nr. 4 war ein Projekt der Universität Paderborn und des HNF. Sie reichten ein System ein, das zwei Akkumulatoren des 1946 enthüllten Elektronengehirns ENIAC simuliert. Mit ihm lassen sich Zahlen abspeichern und addieren. Die Anlage wurde zunächst in der Ada-Lovelace-Ausstellung aufgebaut; mittlerweile befindet sie sich in der ENIAC-Inszenierung des Museums.

Und wer gewann nun den Tony-Sale-Preis? Richtig – die ENIAC-Simulation. Wir gratulieren Johannes Blobel vom Heinz Nixdorf Institut der Uni Paderborn und Dr. Jochen Viehoff, Geschäftsführer des Heinz Nixdorf MuseumsForums (siehe Titelfoto oben, Foto: Jan Braun, HNF), und dem Team Rainer Glaschick, Bernhard Fromme und Gregor Golombek herzlich zum Erfolg . Der Chef der Jury, der Computerhistoriker Martin Campbell-Kelly, sagte, dass die HNF-Rekonstruktion die Essenz des ENIAC erfassen und zeigen würde, wie sich die frühe Computer-Programmierung anfühlte.

Martin Campbell-Kelly: „Die Rekonstruktion wird die heutigen Besucher mit Sicherheit überraschen und fesseln.“ Für weitere Informationen verweisen wir auf diese Seite.

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Ein Kommentar auf “Tony Sale und sein Preis”

  1. Tony Sale hat mir einmal stolz erzählt, dass er Rolling-Stones-Boss Mick Jagger dessen Marine ENIGMA M4 repariert habe. Jagger sammelt wohl Militaria des 2. Weltkriegs. Als kleines Dankeschön wurde Toni zur Premiere des von Jagger koproduzierten „Enigma“-Films eingeladen. Mit dem Buchautor Robert Harris, dem Drehbuchautor Tom Stoppard, dem Regisseur Michael Apted und der Oscar-Preisträgerin Kate Winslet waren Premiere und Film erstklassig besetzt.

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