Computer im Museum (VI) – es war einmal

Geschrieben am 17.06.2022 von

Ausstellungen werden eröffnet, sie werden besucht und nach ein paar Monaten wieder geschlossen. Museen und Museumsabteilungen bleiben uns in der Regel länger erhalten. Es kommt aber vor, dass eine feste Sammlung aus finanziellen, organisatorischen oder anderen Gründen dichtmacht. In den neuen Folge unser Ferien-Serie begeben wir uns auf die Suche nach vergangenen Präsentationen der Computergeschichte.

Temporäre Ausstellungen zur Rechentechnik gab es schon im 19. Jahrhundert, etwa 1876 in London oder 1893 in München. Dort eröffnete 1925 eines der ersten Museen mit Objekten aus jenem Feld. Es handelt sich um den imposanten Neubau des Deutschen Museums von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik an der Isar. Der Raum 162 für Rechen-Einrichtungen und Geometrie ist hier näher beschrieben.

Im Mai 1968 weihte das Haus einen Bereich zur Nachrichtentechnik und -verarbeitung ein; Festredner war der Kybernetiker Karl Steinbuch. Gezeigt wurde auch ein Computer, die von Konrad Zuse und der Zuse KG erstellte Kopie der Z3 aus dem Jahr 1941. Das Original ging bekanntlich im Krieg verloren. 1988 startete die von dem Mathematiker Friedrich L. Bauer konzipierte Abteilung für Informatik und Automatik. Sie behandelte Rechenmaschinen, mathematische Instrumente, Chiffriergeräte sowie Analog- und Digitalrechner. Später kamen die Themen Mathematik und Mikroelektronik hinzu.

Vor wenigen Monaten schloss die Abteilung im Zuge der Modernisierung des Museums. Wann eine Neufassung eröffnet, wissen wir nicht; 2022 ziehen zunächst Exponate aus der Elektronik, der Robotik und der Chiffriertechnik ein. Das Ende der Bauer-Ausstellung gibt uns aber Gelegenheit, einen Blick auf nicht mehr existierende Computersammlungen zu werfen. Beginnen möchten wir mit einem Film aus der Schweiz. Er entstand 1968 und dokumentiert das Recyceln von Mainframes und Peripheriegeräten. Digitalhistoriker bitte weggucken!

Konrad Zuse am Nachbau der Z3, aufgenommen in der Nachrichtentechnik-Ausstellung des Deutschen Museums (Foto Deutsches Museum)

Die erste längerfristige Schau zur Informatik-Geschichte dürfte A Computer Perspective gewesen sein. Sie lief von 1971 bis 1975 in einem Gebäude von IBM in New York; gestaltet wurde sie vom Designer-Ehepaar Charles und Ray Eames. Das IBM-Projekt inspirierte den österreichischen Computerpionier Heinz Zemanek zu einer ganz ähnlichen Präsentation, die ab 1974 im Technischen Museum Wien zu sehen war. Mittlerweile gibt es sie nicht mehr, sie führte jedoch zu Wanderausstellungen mit Text-Bild-Tafeln, von denen eine im Zuseum in Bautzen landete.

1957 begann die Karriere der Digital Equipment Corporation; sie saß im Städtchen Maynard im US-Bundesstaat Massachusetts. 1979 legte sie im benachbarten Ort Marlborough eine Firmensammlung an. Aus ihr entwickelte sich 1984 das Computer Museum von Boston. Es hatte kein eigenes Gebäude, errang aber weltweites Aufsehen. Seine Ausstellungsetagen schlossen 1999, die Rechner wurden quer über den Kontinent nach Kalifornien ins Silicon Valley geschafft. Hier nahm 2011 das Computer History Museum den Betrieb auf.

Das Jahr 1982 brachte die erste deutsche Dauerausstellung mit mehr als einem Computer. Ab März zeigte das Schleswig-Holsteinische Museum für Rechen- und Schreibtechnik Zuse-Systeme in Altenholz bei Kiel. Der Verein war Untermieter in der Datenzentrale Schleswig-Holstein, einem landeseigenen Rechenzentrum; 1990 musste er die gesammelte Hardware wieder abräumen. Sie wurde von der Fachhochschule Kiel übernommen, die sie in einer Baracke am Rande des Campus aufstellte. 2011 erhielt sie mit vielen anderen Computern und Rechenmaschinen eine dauerhafte Heimstatt in einem früheren Luftschutzbunker.

Die 2022 geschlossene Computerabteilung des Deutschen Museums lebt auf Wikipedia weiter. Das Foto zeigt einen in München ausgestellten Großrechner Telefunken TR 4.

1983 eröffnete in Berlin-Kreuzberg das Museum für Verkehr und Technik, heute Deutsches Technikmuseum. Im ersten Obergeschoss befand sich eine mittelgroße Abteilung für Rechen- und Lochkartenmaschinen, Computer und die Grundlagen der Informatik. Um die Jahrtausendwende verschwand sie plötzlich, und die Exponate kehrten ins Depot zurück. Später schuf das Museum eine neue Ausstellung mit Zuse-Computern samt einem Nachbau der mechanischen Z1; ihn hatte Konrad Zuse noch selbst angefertigt. Seit 2015 gibt es außerdem eine umfangreiche Schau über Netzwerke.

Das erste Computermuseum mit eigenem Haus richtete 1987 die RWTH Aachen ein. Es lag im Stadtteil Melaten und sah unscheinbar aus, barg aber viele schöne Exponate. Bis 2009 war es geöffnet; ein Jahr später rückte der Bagger an. Schon 2007 gelangte ältere Hardware aus dem Besitz der Technischen Hochschule ins erwähnte Computer History Museum; dabei half der amerikanische Zweig des Firma SAP. Die restlichen Geräte der Sammlung wurden in alle Winde zerstreut; einige fanden Aufnahme in Museen.

Besser als den Aachener Computern erging es denen in Sindelfingen. Dort entstand 1994 aus einer Lochkartenfabrik das Haus zur Geschichte der IBM Datenverarbeitung. Vor zehn Jahren zogen die Objekte nach Schönaich bei Böblingen um. Sie sind nicht mehr öffentlich zugänglich, blieben aber zusammen. 1995 startete das Konrad-Zuse-Computermuseum im sächsischen Hoyerswerda; hier verlebte der Computerpionier seine Jugend. Das Museum füllte das Erdgeschoss eines Zweckbaus und schloss 2013 seine Pforten. Im Januar 2017 erfolgt an anderer Stelle die Neueröffnung, wir haben sie im Blog geschildert.

Blick ins Computermuseum von Hoyerswerda, als es noch in der Straße E am Stadtrand saß. Aufgebaut ist ein Relaisrechner Zuse Z11 aus den 1950er-Jahren.

Museen haben ihre Schicksale. Lost Places sind ein unerschöpfliches Thema, und wir könnten noch manches erzählen, vom kurzlebigen Musée de l’Informatique in Paris, den Plänen der IBM für ein Firmenmuseum oder den Analogrechnern von Soest: Bitte PDF-Seite 177 aufrufen. Wir beschränken uns aber darauf, den Leserinnen und Lesern alles Gute für die Ferien zu wünschen. Ein Wort zum Eingangsbild: Es zeigt einen Mikrocomputer MC80.22 aus dem VEB Elektronik Gera im alten Zuse-Museum von Hoyerswerda.

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3 Kommentare auf “Computer im Museum (VI) – es war einmal”

  1. Michael sagt:

    Eine schöne Zusammenstellung! Ich kenne noch das Computermuseum Visselhövede (https://www.computermuseum-visselhoeve.de/), dem ich mal ein paar Sachen überlassen habe.

    1. HNF sagt:

      Hier hatten wir schon einmal etwas über die Kollegen in Visselhövede gebracht: https://blog.hnf.de/computer-im-museum-iii/

  2. Herbert Bruderer sagt:

    Vorzügliche Computermuseen gibt es beispielsweise auch in Großbritannien und der Schweiz. Eine weltweite Übersicht finden Sie in:

    Bruderer, Herbert [2020a]: Meilensteine der Rechentechnik, De Gruyter Oldenbourg, Ber-lin/Boston, 3. Auflage 2020, Band 1, 970 Seiten, 577 Abbildungen, 114 Tabellen, https://www.degruyter.com/view/title/567028?rskey=xoRERF&result=7

    Bruderer, Herbert [2020b]: Meilensteine der Rechentechnik, De Gruyter Oldenbourg, Ber-lin/Boston, 3. Auflage 2020, Band 2, 1055 Seiten, 138 Abbildungen, 37 Tabellen, https://www.degruyter.com/view/title/567221?rskey=A8Y4Gb&result=4

    Bruderer, Herbert [2020c]: Milestones in Analog and Digital Computing, Springer Nature Switzer-land AG, Cham, 3rd edition 2020, 2 volumes, 2113 pages, 715 illustrations, 151 tables, translated from the German by John McMinn, https://www.springer.com/de/book/9783030409739

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