Die Datenschleuder ist da

Geschrieben am 09.02.2024 von

Die Geburt des Chaos Computer Clubs fand am 12. September 1981 in Berlin statt. Richtig bekannt wurde er erst zwei Jahre später. Im Februar 1984 erschien die erste Ausgabe der „datenschleuder“ – deren Titel man damals klein schrieb. Sie umfasste vier Seiten und führte in die Ziele der Hackervereinigung ein. Wir haben sie uns angeschaut.

„Mit einem neuen Informationsdienst für Computer-Freaks, die sich einen Spaß daraus machen, die Codes fremder Datenbanken zu knacken und so Informationen abzuzapfen, will der Hamburger ‚Chaos Computer Club‘ künftig deutsche Hacker erfreuen. In der soeben erschienenen ersten Ausgabe des Info-Blättchens ‚Datenschleuder‘ gibt es neben Hardware-Tips … auch Produktkritik.“

Das schrieb der SPIEGEL am 26. Februar 1984 in einer Kurzmeldung; das Info-Blättchen hieß im Original „die datenschleuder“ mit Kleinbuchstaben. Über seinen Urheber, den gleichfalls erwähnten Chaos Computer Club CCC, berichteten wir im Blog. Gegründet am 12. September 1981 in Berlin-Wedding, blühte der Verein lange im Verborgenen. Im November 1983 meldete sich sein Chef Wau Holland in der taz mit vier Artikeln zu Wort. Im Februar 1984 trat der Club mit einer eigenen Publikation ans Licht der Öffentlichkeit.

CCC-Gründervater Wau Holland 1997 im HNF

Die erste datenschleuder lässt sich im Internet studieren. Ihre vier Seiten beginnen mit der Vorstellung des CCC: „Der Chaos Computer Club ist eine galaktische Vereinigung ohne feste Strukturen. Nach uns die Zukunft: vielfältig und abwechslungsreich durch Ausbildung und Praxis im richtigen Umgang mit Computern (wird oft auch als „hacking“ bezeichnet).“ Der Verein distanzierte sich von Einbrüchen in fremde Datenbanken und bestand nur auf dem Recht „auf zumindest weltweiten freien, unbehinderten und nicht kontrollierbaren Informationsaustausch“.

Den Computer definierte der CCC als „Spiel-, Werk- und Denk-Zeug“ und „das wichtigste neue Medium“. Für die Zukunft legte er eine Liste mit elf Punkten vor. Ganz oben stand das Sammeln von Geld für diverse Aktivitäten; es folgten die Verbreitung von Bauanleitungen, der „datenschleuder“ und aller möglichen Informationen sowie die Gründung telefonisch anwählbarer Datenbanken. Wichtig waren auch die Kooperation mit gleich ausgerichteten Vereinen, der Spaß mit Computern, das Aufklären über Telefonsysteme und Rechnernetze sowie die Hilfe beim Umgang mit der „schönen neuen Welt“ im Orwell-Jahr 1984.

Der Olivetti M10 und ein Akustikkoppler passten in jede Telefonzelle. (Foto Museo della Scienza e della Tecnologia „Leonardo da Vinci“ CC BY-SA 4.0 DEED seitlich beschnitten)

Der letzte Punkt der Liste lautete schlicht: „Alles was Spaß macht und nichts kostet.“ Natürlich machte der CCC noch einen Bösewicht aus. Das war CSU-Innenminister Friedrich Zimmermann, der die Einführung eines neuen Personalausweises vorantrieb. Seinen Kabinettskollegen, Postminister Christian Schwarz-Schilling von der CDU, nahm der Club noch nicht aufs Korn. Hinweise in der „datenschleuder“ lassen erkennen, dass er den von Schwarz-Schilling verantworteten Bildschirmtext zumindest neutral sah. Wie wir wissen, änderte sich das im November 1984 mit dem Btx-Hack.

Hardwareseitig lobte die „datenschleuder“ den kleinen Computer Olivetti M10, denn der ließ sich in die Telefonzelle mitnehmen. Sie beklagte aber den Preis von 1.500 bis 2.500 DM. Für zuhause empfahl sie einen „Hongkong-Apple“ – also einen preiswerten Nachbau – mit einer Zilog-Z80-Karte und den Btx-Decoder MUPID aus Österreich. Von dem Millionenseller Commodore C64 hielt das Blatt wenig, da er fünfzig Minuten zum Kopieren einer Floppy Disk brauchte. „Über die Wegwerf-Computer ZX81 etc. kein Kommentar.“ Ebenso verschwiegen wurden Rechner mit Microsoft-Betriebssystem.

Ab 1985 ermöglichte das „Datenklo“ des CCC einen halb-legalen Zugang ins Internet.

Bei Modems und Akustikkopplern riet der CCC zum Selbstbau; daneben nannte er Modelle der englischen Firma Maplin und des US-Herstellers Tandy. Das CCC-entwickelte Datenklo erschien erst 1985. Die „datenschleuder“ brachte außerdem eine kleine Literaturliste. Hier finden wir ihr amerikanisches Vorbild, die Publikation TAP, und einige deutsche Quellen. Mit dem „Spiegel-Artikel“ könnte dieser Beitrag oder dieses Interview gemeint sein. Eine kurze Kritik widmete sich der Anfang 1984 gestarteten Fernsehserie zum NDR-Klein-Computer.

Soweit unser Streifzug durch die „datenschleuder“ Nummer 1. Sie enthielt „viel Text auf wenig Platz“ und sah leicht chaotisch aus. Die folgenden Ausgaben wirkten professioneller; im Jahr 2000 mauserte sich das Blatt zu einer richtigen Zeitschrift. Weitere Informationen zur CCC-Geschichte liefern die zwei Bände der Hackerbibel und das Chaos Computer Buch; nicht vergessen wollen wir den Auftritt von Wau Holland 1997 im HNF. Last not least empfehlen wir einen Besuch der dortigen Hacker-Abteilung.

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2 Kommentare auf “Die Datenschleuder ist da”

  1. Dahlmann sagt:

    Für den Appel II habe ich mir die Bauteile damals in Bielefeld gekauft (Spekowius)
    und dann selber zusammengelötet.
    Mit z80 Karte!

  2. Stu Savory sagt:

    Ich habe 1985 eine Tandy TRS80 benutzt; ich glaube er hiess so.

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