Geldschein mit Computerpionier

Geschrieben am 18.06.2021 von

In der nächsten Woche, am 23. Juni, kommt im Vereinigten Königreich eine neue Banknote heraus. Die Vorderseite zeigt die Queen, die hintere den Mathematiker und Kryptologen Alan Turing. Der 23. Juni ist auch sein Geburtstag. Die Grafiker der Bank von England brachten auf dem Schein Details zu seinem Leben unter, die wir im Folgenden erläutern.

Mathematiker auf Banknoten sind kein neues Phänomen. Die Übersicht der Universität Manchester nennt René Descartes, Leonard Euler, Isaac Newton und Georg von Vega; auch Carl Friedrich Gauß wird erwähnt. Sein Porträt zierte den Zehnmarkschein, den die Deutsche Bundesbank 1991 in Umlauf brachte. Diese Seite erklärt, was sonst noch abgebildet war.

Am 23. Juni erscheint eine englische Banknote mit Alan Turing. Ihn müssen wir nicht groß vorstellen. 1912 geboren, zeichnete er sich in der Mathematik und Kryptologie aus. Zudem ist er einer der bedeutendsten Computerpioniere. Er starb 1954 wohl durch eigene Hand. Zwei Jahre vorher stand er wegen Homosexualität vor Gericht und erhielt eine Strafe. Im August 2014 wurde Turing von der Königin posthum begnadigt. 2017 weitete ein Gesetz ihren Gnadenakt auf alle in ähnlicher Weise Verurteilte aus.

Die Ehrung des Mathematikers erfolgte auch vor diesem Hintergrund. Es gab jedoch ein öffentliches Auswahlverfahren für die neue 50-Pfund-Note. Dabei wurden 989 Forscher und Forscherinnen vorgeschlagen; ihre Zahl reduzierte sich im weiteren Verlauf auf ein Dutzend Personen. Im Sommer 2019 stand Alan Turing als Motiv fest. Er verwies Stephen Hawking, James Clerk Maxwell und Ernest Rutherford auf die Plätze. William und Caroline Herschel kamen ebenso wenig zum Zuge wie Charles Babbage und Ada Lovelace.

Rückseite der Turing-Banknote. Das rechte Drittel ist abgeschnitten.

Am 15. Juli 2019 verkündete die Bank von England den Sieger und zeigte einen Entwurf des neuen Geldscheins. Am 25. März 2021 enthüllte sie das fertige Design. Im Pressefoto fügte die Bank die Regenbogenfahne und einen Lochstreifen mit der Dualzahl 50 hinzu, wie im Eingangsbild zu sehen. Alan Turing belegt die Rückseite des Scheins, die vordere gehört Königin Elizabeth II. Der Mathematiker tritt die Nachfolge des Fabrikanten Matthew Boulton und des Dampfmaschinenbauers James Watt an; die beiden schmückten die im Jahr 2011 eingeführte 50-Pfund-Note.

Wie bei Carl Friedrich Gauß weist die neue Note Einzelheiten aus dem Leben und Wirken des Abgebildeten auf. Auf dem Porträtfoto sitzt die Unterschrift; die abgebildete Signatur trug Turing im November 1947 ins Besucherbuch des Mathematikers Max Newman ein. Er leitete das mathematische Institut der Universität Manchester, wo der erste englische Computer, das Manchester Baby, im Entstehen begriffen war. Turing und Newman kannten sich aus der gemeinsamen Arbeit im berühmten Entschlüsselungszentrum Bletchley Park.

Unterhalb des Porträts steht ein Zitat Alan Turings aus einem Artikel, der am 11. Juni 1949 in der „Times“ erschien: „This is only a foretaste of what is to come and only the shadow of what is going to be“. („Das ist erst der Vorgeschmack dessen, was kommt, und nur der Schatten von dem, was sein wird.“) Turing arbeitete damals in Manchester am Nachfolger des Babys, dem Rechner Manchester Mark 1, und erforschte Primzahlen. Der Artikel trug den Titel Das mechanische Gehirn und schilderte vor allem den mathematischen Einsatz. Alan Turing deutete aber schon Anwendungen aus der Künstlichen Intelligenz an.

Die Vorderseite der Banknote trägt links eine stilisierte integrierte Schaltung.

Auf der 50-Pfund-Note schlängelt sich von Turings Schulter ein Band mit einer Dualzahl: 1001000111100000111101111. Dezimal ergibt das 19120623 oder anders gruppiert 1912 06 23. Turings Geburtsdatum ist der 23. 6. 1912. Neben die Schulter setzten die Grafiker Auszüge aus Konstruktionsplänen der Bombe. So hieß das von Alan Turing und Gordon Welchman ersonnene Gerät, das in Bletchley Park die deutsche Chiffriermaschine Enigma simulierte. Die Zeichnungen kann man hier studieren: Bitte die „Bombe drawings“ durchblättern.

Links neben Turings Gesicht sind Zeilen aus dem Aufsatz eingetragen, der 1936 das Konzept der Turing-Maschine einführte. Im Originaltext On Computable Numbers stehen sie oben auf Seite 240 (PDF-Seite 11) und in der Mitte von Seite 241 (PDF-Seite 12). Hinter den Zeilen und Zeichen ist die Pilot ACE zu erkennen, an deren Bau Turing 1946 und 1947 mitwirkte. Hinter ihr sieht man wiederum Zeichnungen aus einem technischen Bericht, den Turings Kollege James Wilkinson 1948 über jenen Computer verfasste.

Ein auffälliges Turing-Merkmal findet sich rechts oben auf der Banknote. Die Sonnenblume mit den Initialen AT erinnert an Forschungen, die der Mathematiker kurz vor seinem Tode betrieb. Dabei dachte er über Wachstumsmuster in Pflanzen und Fibonacci-Spiralen nach. Weitere Verweise enthält die Vorderseite der Banknote, etwa die integrierte Schaltung, die gleichfalls von Blumen flankiert ist. Der Blütenkranz über der Bank von England besteht aus schmalen Achten – Turings Arbeitsplatz in Bletchley Park war die Baracke Nr. 8.

Die Turing-Sonnenblume blüht rechts oben auf der Rückseite der Banknote.

Wir können nicht garantieren, dass wir alle Rätsel der neuen 50-Pfund-Note gelöst haben. Was bedeuten zum Beispiel die Dualzahlen-Bänder in den Ecken, besonders das mit der 101010 oder dezimal 42? Hilfe könnte das Turing-Quiz leisten, das der britische Krypto-Geheimdienst GCHQ im März veröffentlichte. Ein Hinweis zum Schluss: Alle Bilder unseres Blogbeitrags kommen von der Bank of England – thank you very much! Für die dicken Stempel auf den Scheinen bitten wir um Entschuldigung.

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Ein Kommentar auf “Geldschein mit Computerpionier”

  1. Stefan sagt:

    Echt jetzt? „42“ auf einem Geldschein finde ich bei einem Computerpionier nur konsequent. Auch wenn das nur die vorläufige die endgültige Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest ist.

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