Mikrocomputer aus Utah – Sphere 1

Geschrieben am 09.01.2024 von

Er ist zu Recht oder Unrecht vergessen, im zweiten Obergeschoss des HNF steht er aber am Anfang der Acht-Bit-Rechner. Der Sphere 1 kam im Herbst 1975 in den USA in den Handel, im Frühjahr 1977 endete die Produktion. Insgesamt wurden von ihm 1.300 Stück verkauft, die eine Hälfte als Baukasten und die andere fertig montiert.

In der Frühzeit der Mikrocomputer gab es zwei Design-Stile. Der eine machte die Rechner zu Kästen mit Lämpchen und Kippschaltern, bekanntestes Beispiel ist der im Dezember 1974 vorgestellte Altair 8800, der die Mikrorechner-Revolution auslöste. Das andere Prinzip verlieh ihnen den Look eines Terminals mit einer Tastatur und manchmal einem Display. Im Blog sahen wir das am MCM/70 von 1973 und an dem 1976 erschienenen Sol-20.

Der Sphere 1 gehört zu der zweiten Kategorie. Die Fachwelt erfuhr von ihm durch eine Anzeige, die im Juli 1975 das amerikanische Magazin Radio-Electronics abdruckte. Ihre Überschrift lautete „Computer System $ 650.00“ – das Wort „System“ war eingerahmt. Angepriesen wurde ein „Kit“, also ein Baukasten-System. Das Foto neben dem Text zeigte einen fertig montierten Computer mit Tasten und Bildschirm, der jedoch 870 Dollar kostete. Er glich dem Rechner in der Abbildung unten.

Der Sphere 1 in einer Anzeige vom Januar 1976

Auf der Grundplatine des Sphere 1 steckte ein Acht-Bit-Mikroprozessor vom Typ Motorola 6800. Er führte zum Modell 6502 der MOS Technology Inc., einem der wichtigsten Chips der Computergeschichte. Der Motorola-Vorläufer im Sphere 1 besaß einen Arbeitsspeicher von vier Kilobyte, der sich auf 64 Kilobyte erweitern ließ. Außerdem enthielt der Computer einen Nur-Lese-Speicher und einen Anschluss für den Fernseher oder für einen Monitor. Auf ihnen erschienen sechzehn Zeilen mit 32 Zeichen.

Der Hersteller des Rechners war die Sphere Corporation im US-Bundesstaat Utah; sie saß in Bountiful nahe der Stadt Salt Lake City. Bountiful bedeutet auf Deutsch reichlich, freigiebig und großzügig; der Name kommt in der Mormonen-Bibel vor. Sphere-Chef Michael Wise wurde nicht im frommen Utah, sondern 1949 im lebenslustigen Wiesbaden geboren; sein Vater war Major der US Air Force und dort stationiert. Wise absolvierte Schulen in der ganzen Welt, ehe er 1968 seinen Abschluss in den USA machte.

Ein Sphere-Computer ohne die schwarze Frontscheibe (Foto Computer History Museum)

Er studierte in der Brigham-Young-Universität in Utah und erlernte die Programmiersprache BASIC. Dadurch wurde er zu einem Computerfreak. Wise startete seine erste Firma, lehrte anderthalb Jahre an der genannten Hochschule und wechselte dann in die Industrie; 1975 gründete er die Sphere Corporation. Später leitete er noch andere Firmen, darunter eine für das neue World Wide Web. Im Jahr 1999 hielt er einen Vortrag über seine Karriere bei einem Vintage-Computer-Treffen. Michael Wise starb 2002 in Salt Lake City.

Sein Computer gelangte im Herbst 1975 in den Handel, Mitte November waren hundert Stück ausgeliefert. Über die weiteren Fortschritte geben die Newsletter der Sphere Corporation Auskunft. Der zweite vom April 1976 berichtete, dass sich Wise aus seinem Unternehmen zurückgezogen hätte. Im Frühjahr 1977 kam die Pleite. Insgesamt wurden 1.300 Computer gefertigt, teils in Form von Bausätzen und teils als fertige Modelle. Es ist möglich, dass eine andere Firma die Produktion fortsetzte, denn ein kanadischer Sammler fand einen ähnlich aussehenden Rechner namens Total 4000.

Die Sphere Corporation bot auch Peripheriegeräte an; unten erkennt man ein Disketten-Laufwerk. (Foto Computer History Museum)

Ein Sammler in San Francisco schuf eine Website zum Sphere, die wir allen Interessenten empfehlen. Das ist der zugehörige YouTube-Kanal. Im kalifornischen Computer History Museum liegen Broschüren zum Computer. Das HNF besitzt, siehe Eingangsbild, einen Sphere 1 ohne Monitor. Er führt im zweiten Obergeschoss in die Reihe der Acht-Bit-Rechner ein. Last not least sei noch erwähnt, dass Michael Wise für seinen Computer eine spezielle Tastenkombination zum Neustart erfand, einen Vorläufer des bekannten Klammergriffs.

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