Percy Ludgate und Konrad Zuse

Geschrieben am 14.10.2022 von

Am 15. Oktober gedenken Freunde der irischen Computergeschichte eines Erfinders, der 100 Jahre vorher in Dublin starb: Percy Ludgate. Er beschrieb 1909 einen mechanischen Digitalrechner. 1971 machte der britische IT-Historiker Brian Randell Ludgate in der Fachwelt bekannt. Doch schon 1960 zog die Büromaschinenfirma Triumph seine Ideen heran, um gegen ein Computer-Patent für Konrad Zuse vorzugehen.

Percy Ludgate könnte man den irischen Charles Babbage nennen. Der englische Forscher erfand im 19. Jahrhundert die meterlange „Analytical Engine“, eine programmgesteuerte mechanische Rechenanlage. Ludgate brachte es nur zum Buchhalter, er verfasste aber 1909 den Entwurf einer „Analytical Machine“; einer kleineren Schwester von Babbages Gerät. Beide Maschinen blieben unrealisiert.

Der Mathematiker Charles Babbage um 1860

Ludgate wurde am 2. August 1883 in Skibbereen im Südwesten Irlands geboren. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in Dublin, wo er am 16. Oktober 1922 starb. Sein Computer-Konzept geriet in Vergessenheit; 1971 gab der britische Informatiker und IT-Historiker Brian Randell aber den Entwurf von 1909 neu heraus. 2016 nahm die Ludgate-Forschung einen Aufschwung, an dem auch unser Blog beteiligt war. Brian Coghlan, ehemals Dozent des Dubliner Trinity College, erstellte eine detaillierte Rekonstruktion von Ludgates Maschine; 2021 erschien sie in den Annals of the History of Computing.

Uns geht es heute um eine kuriose Verbindung zwischen Percy Ludgate und dem deutschen Computervater Konrad Zuse. Er versuchte ab November 1951, ein Patent für einen an seiner Z3 angelehnten Digitalrechner zu erhalten. Dagegen wandten sich die Nürnberger Triumph Werke. Sie stellten Motorräder, aber ebenso Schreib- und Buchungsmaschinen her. Der für Triumph tätige Anwalt wies auf ältere Patente hin, die die Ansprüche von Zuse enthalten würden. Der änderte dann seinen Patentantrag ab und reichte ihn erneut ein.

Percy Ludgate – das einzige bekannte Bild (Foto Brian Randell)

1959 sprachen sich die Prüfer des in München sitzenden Patentamts dafür aus, Konrad Zuses Antrag zu genehmigen. Am 12. Januar 1960 erhielt das Amt jedoch einen am Vortag abgesandten neuen Einspruch. Triumph-Patentanwalt G. B. Hagen wies darin mit genauer Quellenangabe auf die Arbeit von Percy Ludgate hin und erläuterte sie auf neun Seiten. Sie lassen sich hier nachlesen. Hagen erwähnte außerdem Charles Babbage, Claude Shannon und den französischen Computerpionier Louis Couffignal.

Der Triumph-Anwalt hielt Konrad Zuses Ansprüche nicht für patentfähig, da Percy Ludgate angeblich ähnliche Konzepte entwickelt hatte. Ob Zuse das wusste, war nebensächlich, entscheidend war, dass jemand die Ideen vor ihm hatte. Zuses Patentanwalt Weber-Schäfer schickte ihm am 28. Januar 1960 einen sorgenvollen Brief. Darin hieß es: „Wir haben die Literaturstelle noch nicht im einzelnen geprüft, doch scheint uns bereits bei flüchtiger Durchsicht der in dem Schriftsatz genannten Stellen, dass es sich hier um eine ernst zu nehmende Entgegenhaltung handelt.“

Der Einspruch der Triumph Werke gegen das Computer-Patent von Konrad Zuse mit Hinweis auf Percy Ludgate. (Foto Konrad Zuse Internet Archive CC BY-NC-SA 3.0 unten beschnitten)

Da Weber-Schäfer eine Kopie des Ludgate-Aufsatzes mitgeschickt hatte, konnte Zuse ihn studieren und eine Entgegnung aufsetzen. Er konzentrierte sich auf den von Ludgate erwähnten Lochstreifen, der das Programm der „Analytical Machine“ trug. Konrad Zuse sah dazu kein Gegenstück in seiner Patentanmeldung. Ein von Ludgate vorweg genommenes „Vercodungssystem“ schloss er kategorisch aus: „Es entspricht einer falschen Auslegung der Schrift von LUDGATE und ist das Produkt der Fantasie der Einsprechenden.“ Die zwei Seiten von Zuses Notiz finden sich hier und hier.

1961 reichte G. B. Hagen ein weiteres Dokument gegen Zuses Computer ein, die Doktorarbeit von Louis Couffignal von 1937. Die Einwände von Triumph verfehlten ihre Wirkung nicht: 1962 verweigerte das Münchner Amt die Patentierung. Konrad Zuse zog deshalb vor das ebenfalls in München ansässige Bundespatentgericht. Dieses wies seine Beschwerde am 14. Juli 1967 zurück. In der Urteilsbegründung hieß es: „Die Neuheit und Fortschrittlichkeit des mit dem Hauptantrag beanspruchten Gegenstands sind nicht zweifelhaft. Indessen kann auf ihn mangels Erfindungshöhe kein Patent erteilt werden.“

Konrad Zuse im Jahr 1966 (Foto Horst Zuse)

So endete also das Zuse-Patentverfahren, in dem Percy Ludgate eine kleine Rolle spielte. Offen bleibt die Frage, wie die Triumph Werke und ihr Anwalt überhaupt vom irischen Erfinder erfuhren. Konrad Zuse war zu Lebzeiten überzeugt, dass die Nürnberger Firma Hilfe von IBM erhielt. Es könnte sein, dass historisch interessierte Mitarbeiter von Ludgate wussten. Seit 1956 besaß IBM eine Filiale in Dublin; die Beschaffung seines Aufsatzes wäre demnach kein Problem gewesen. Ein Exemplar gelangte aber auch in die Bibliothek der Deutschen Seewarte in Hamburg.

Die Iren sind ein geschichtsbewusstes Volk; viele Gebäude tragen Tafeln, die an berühmte Söhne und Töchter erinnern. Am 15. Oktober 2022 erhält Percy Ludgate eine solche Tafel. Sie hängt in der Dargle Road 30 in Dublin, wo Ludgate sein Computer-Konzept entwickelte. Im Foto ist es das Haus rechts mit der grauen Tür. Unser Eingangsbild zeigt einen Ausschnitt aus einem Artikel, den er 1914 zur 300-Jahr-Feier der Neperschen Logarithmen schrieb. Wir danken noch einmal Brian Randell für das Ludgate-Bild und Horst Zuse für das Foto seines Vaters.

Gruppenbild mit Tafel: Gregory O’Hare, Informatikprofessor und Institutsleiter im Trinity College Dublin (links), Linda Doyle, Präsidentin des Colleges, und Computerhistoriker Brian Randell. (Foto School of Computer Science and Statistics, Trinity College Dublin)

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